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Institut für Pädiatrie: nicht nur Forschung und Technologie, sondern auch Hypnose zur Behandlung junger Patientinnen und Patienten

Freitag, 9. Juni 2023 ca. 6 Minuten lesen In lingua italiana
Giacomo Simonetti, medizinischer und wissenschaftlicher Leiter des Istituto Pediatrico della Svizzera italiana (Foto: Chiara Micci / Garbani)
Giacomo Simonetti, medizinischer und wissenschaftlicher Leiter des Istituto Pediatrico della Svizzera italiana (Foto: Chiara Micci / Garbani)

In der Erwartung, dass künftig ein richtiges kantonales Kinderspital eingerichtet wird, erfolgt die medizinische Versorgung von Kindern an vier eng koordinierten Standorten. Interview mit dem Leiter des Instituts, Giacomo Simonetti
von Agnese Codignola

Im Tessin werden jährlich etwa 2.600 bis 2.700 Kinder geboren. Diese jungen Tessinerinnen und Tessiner benötigen mitunter vom Säuglingsalter bis zur Volljährigkeit zusätzlich zu einem eigenen Kinderarzt aus unterschiedlichsten Gründen die Hilfe eines Spitalarztes. In der Regel stehen solche Ärzte zusammen mit den spezialisierten Teams und dem gesamten Hilfspersonal in einem der vier Zentren des Istituto Pediatrico della Svizzera Italiana (IPSI) zur Verfügung. Der Hauptsitz dieses Instituts für Pädiatrie unter der Leitung von Giacomo Simonetti befindet sich in Bellinzona. Der in Bedigliora, einem in der Region Malcantone gelegenen Dorf, geborene Simonetti studierte Medizin in Bern, wo er sich ausserdem auf Pädiatrie und Nephrologie spezialisierte, um anschliessend nach Deutschland, genauer gesagt nach München, zu gehen und später wieder nach Bern zurückzukehren. Im Jahr 2014 kehrte er nach Bellinzona zurück, wo er 2019 zum medizinischen und wissenschaftlichen Leiter des IPSI am Spital San Giovanni ernannt wurde.
2019 war also ein entscheidendes Jahr, und zwar nicht nur im Hinblick auf seine Karriere. Simonetti erläutert: «Es gab zwar bereits verschiedene Fachbereiche und Praxen, aber in jenem Jahr wurde eine eigene Etage speziell für die Kinderheilkunde eingerichtet, in der alle entsprechenden Aktivitäten zusammengeführt wurden, was zweifellos Vorteile für alle mit sich brachte: nicht nur für die jungen Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen, die für ihre Untersuchungen bzw. Arztbesuche nicht mehr gezwungen waren, verschiedene Orte aufzusuchen, sondern auch für das Personal, dem von nun an ein Ort zur Verfügung stand, an dem es sich kontinuierlich austauschen und jeden Tag im Interesse des einzelnen Kindes zusammenarbeiten konnte». Während sich der Hauptsitz zum Standort der Fachbehandlung entwickelte, haben sich die Zentren nach und nach auf unterschiedliche Aspekte konzentriert, wie der Leiter des Instituts erklärt. «In Locarno und Mendrisio gibt es die allgemeine Pädiatrie. In Lugano hingegen befassen wir uns mit bestimmten Störungen, die typischerweise (und leider immer öfter) im Jugendalter auftreten, wie z. B. Essstörungen und soziale Störungen».

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Im Spital San Giovanni wiederum sind fast alle Fachbereiche vertreten, angefangen bei der spezialisierten Neonatologie für Kinder ab der 32. Woche. Zu diesen Fachbereichen zählen beispielsweise die Orthopädie, die Infektiologie, die Gastroenterologie, die allgemeine Chirurgie, die Kardiologie, die Onko-Hämatologie, die Neurologie, die Dermatologie, die Pneumologie, die Nephrologie und nicht zuletzt ein sehr wichtiger Fachbereich, über den nicht alle pädiatrischen Zentren verfügen: die Jugendmedizin. Simonetti erklärt: «Jugendliche, die krank werden, haben ganz bestimmte physische und vor allem psychische Bedürfnisse. Auch Jugendliche, die an keiner organischen Erkrankung leiden, benötigen unter Umständen Hilfe, da dieses Alter naturgemäss durch eine hohe Anzahl an Konflikten gekennzeichnet ist, und mitunter unangemessene Verhaltensweisen und Probleme auftreten, die sich negativ entwickeln können, wenn sie nicht behandelt werden: Situationen dieser Art wurden unter anderem nach der Corona-Pandemie vermehrt beobachtet und haben sich verschlimmert.» «Aus diesem Grund – fährt Simonetti fort – stellen wir diesen Patientinnen und Patienten eine Reihe von Spezialisten zur Verfügung, die sich insbesondere um deren psychologisches Wohlbefinden kümmern und ihnen helfen sollen, dank einer altersgerechten Betreuung die schwierigsten Momente des Wachstums, des Krankheitsverlaufs und ggf. des Spitalaufenthalts gelassener zu überstehen. Deshalb verfügen wir in Lugano auch über den Bereich Kinder- und Jugendgynäkologie, der allzu oft vernachlässigt wird, obwohl er gerade im Jugendalter von grundlegender Bedeutung ist». 

Ein weiterer besonderer Bereich, der wachsende Erfolge erlebt hat, ist die Hypnose, die von Stefania Ansaloni, Oberärztin für pädiatrische Schmerztherapie und Anästhesie mit Spezialisierung auf medizinische Hypnose, praktiziert wird. Während die Hypnose anfangs nur an einem Tag pro Woche zur Verfügung stand, wird sie heute viel öfter eingesetzt, und das nicht nur bei Kindern und Jugendlichen. Simonetti erklärt: «Der Einsatz von Hypnose kann vor allem bei der Schmerzbekämpfung nach kleineren Eingriffen oder bei Untersuchungen und Verfahren (beispielsweise beim Einführen einer Sonde oder bei der Durchführung einer CT), für die es erforderlich ist, dass der Patient stillhält, von grossem Nutzen sein: Solche Situationen, die bei Kindern kompliziert werden können, lassen sich hingegen mit Hypnose leicht bewältigen».

Ein hochspezialisiertes Zentrum ist allerdings auch auf die klinische Forschung angewiesen, die am IPSI im Rahmen verschiedener Projekte betrieben wird. Viele davon gehören dem Swiss Ped Net an, dem Schweizer Netzwerk der neun pädiatrischen Forschungszentren, das ausreichende Fallzahlen gewährleistet und es so ermöglicht, an wichtigen Studien teilzunehmen und Zugang zu den Fördermitteln des Bundes zu erhalten. Eine der Studien, die dank der Unterstützung dieses Netzwerks abgeschlossen werden konnten, wurde kürzlich in der wissenschaftlichen Zeitschrift Lancet Child & Adolescent Health veröffentlicht: «Wir untersuchten eine Reihe von möglichen Kortisontherapien für das multisystemische Entzündungssyndrom (MIS-C), das bei einigen an Covid erkrankten Kindern auftritt. Dank des Netzwerks konnten wir 75 Kinder (Durchschnittsalter: 9,1 Jahre) in unsere Studie einbeziehen: eine beachtliche Zahl, wenn man bedenkt, dass MIS-C zum Glück selten ist», erklärt der Kinderarzt. 

Derzeit läuft die Rekrutierung für eine weitere wichtige Netzwerkstudie namens MenuKids, die sich auf die Ernährung von Kindern im Zusammenhang mit Wachstumsparametern konzentriert. «In diesem Fall – so Simonetti weiter – möchten wir herausfinden, ob und inwiefern die unterschiedlichen Essgewohnheiten in den Kantonen das Ernährungsverhalten beeinflussen und wie sich all dies auf das Wachstum auswirkt. Da Übergewicht und Fettleibigkeit bei Kindern zunehmen, ist es wichtig, zu verstehen, wie man im konkreten Fall wirksam eingreifen kann, um schlechte Gewohnheiten zu ändern».

Neben den in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk durchgeführten Studien widmet sich das IPSI seit jeher auch monozentrischen Studien, die sich mit scheinbar nebensächlichen Aspekten befassen, wie z. B. mit den Nebenwirkungen der Narkose oder den Merkmalen der sogenannten Fieber-Phobie (der oft übertriebenen Angst der Eltern angesichts eines Fieberanstiegs) oder mit der Identifikation atypischer Fälle von Infektionskrankheiten und so weiter.

Darüber hinaus ist das IPSI ein fester Bestandteil des Masterstudiengangs der Fakultät für Biomedizinische Wissenschaften der Università della Svizzera italiana und trägt die Verantwortung für die Fachausbildung zukünftiger Kinderärztinnen und -ärzte: Die Kinder von heute und morgen sind zusammen mit ihren Eltern in sehr guten Händen. Die Hoffnung ist, dass sich das IPSI früher oder später zu einem richtigen kantonalen Kinderspital weiterentwickelt, indem es seine Fachbereiche und Versorgungsleistungen noch stärker bündelt und umgestaltet und so die Gründung eines absoluten Spitzenzentrums für den gesamten Kanton begünstigt.