künstliche intelligenz

Der Blick richtet sich auf „Glykane“: Wichtig, wandelbar, in der Lage, Proteine zu steuern

Freitag, 6. Mai 2022 ca. 5 Minuten lesen In lingua italiana

Internationale Experten vereinen sich auf dem Campus Ost von Viganello, im Rahmen eines EU-Projekts. Koordiniert wird die Tagung von Andrea Danani, dem Leiter des Labors für Computergestützte Biophysik am IDSIA
von Paolo Rossi Castelli

Drei Tage lang, vom 4. bis 6. Mai, wird im Mehrzwecksaal des Campus Ost von Viganello über ein wichtiges Thema gesprochen, das viele Auswirkungen auf unsere aller Leben hat, aber nicht ganz einfach zu „fassen“ ist: Die Glykane. Was sind sie? Welche Bedeutung hat dieses für Laien fast unbekannt Wort? «Im Wesentlichen können wir die Glykane als eine Art „Kleidung“ der Proteine betrachten - erklärt Andrea Danani, Organisator des Kongresses und Leiter des Labors für computergestützte Biophysik am IDSIA (Dalle-Molle-Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz, der USI und der SUPSI angegliedert): - Eine Kleidung, die die Proteine stark beeinflussen kann, mit weitreichenden Auswirkungen beispielsweise auf die Feuchtigkeitsversorgung der Zellen, auf die Funktion des Immunsystems und sogar auf Krebserkrankungen. Bis vor einigen Jahren galten die Glykane als Aschenputtel, weil man dachte, dass sie nur als Stützmoleküle für Kollagen dienen. Dann wurde jedoch entdeckt, dass sie eine grundlegende, dynamischere Rolle für das gute Funktionieren des Organismus spielen, und die Forschung hat sich mehr in diese Richtung bewegt. Die Herausforderung besteht nun darin, zu verstehen, wie sie mit den anderen Molekülen und mit Medikamenten interagieren».

Bei dem Kongress werden Sie also darüber sprechen. Wer wird daran teilnehmen?

«Erlauben Sie mir eine Präzisierung - so Danani. - Es handelt sich nicht um einen Kogress tout court. Es ist eine jährliche Tagung einer COST-Aktion zu eben den Glykanen, die sich Innogly nennt».

Vom Regen in die Traufe... Um einen obskuren Namen (Glykane) zu erklären, rutschen wir in einen noch obskureren Namen, COST-Aktion!

«Eigentlich nichts Kompliziertes. COST ist zunächst einmal die Abkürzung für Cooperation in Science and Technology: Ein Programm der Europäischen Union, das Netzwerke von Forschern in bestimmten Studienbereichen finanziert. Diese Netzwerke werden COST-Aktionen genannt und die erhaltenen Finanzmittel dienen zur Finanzierung von Aktivitäten wie Konferenzen, Tagungen, Austausch von Forschern zwischen Universitäten, „Trainingsschulen“ für Studenten und Verbreitung von Forschungsergebnissen. Wenn sie von der EU grünes Licht erhalten, dauern die Aktionen durchschnittlich 4 oder 5 Jahre. Ich bin im Führungsgremium der Aktion, die sich mit den Glykanen befasst, und mir wurde die Aufgabe übertragen, die jährliche Tagung, nach dem Stopp aufgrund von Covid, zu planen».

Sind diese Treffen nur für Sie bestimmt oder stehen sie allen offen?

«Es gibt einen „offenen“, frei zugänglichen und kostenlosen Teil: Man muss sich nur anmelden. Dies ist einer der schönsten Aspekte der COST-Aktionen. Normalerweise muss man für die Teilnahme an professionellen wissenschaftlichen Veranstaltungen bezahlen, und die Beträge sind häufig hoch. Kurz gesagt, unser offener Teil ist wie ein Kongress auf höchster Ebene, jedoch „free“. Auf eine gewisse Teilnehmerzahl beschränkt sich hingegen die Sitzungen der Arbeitsgruppen, die sich mit spezifischen Themen befassen, auf die die Aktion strukturiert ist (die sogenannten Working Groups, in der Regel 4 oder 5). Das detallierte Programm der Tagung ist unter der Adresse https://innogly2022.eu und weitere nützliche Informationen zu der Innogly-Aktion auf der Webseite https://innogly.eu/ zu finden».

Sie sprachen von der Bedeutung der Glykane...

«Es handelt sich um Polysaccharide, d. h. Ketten von Monosacchariden, einer Klasse von Zuckern, die sich an Proteine, aber auch an andere Molekülarten (wie Lipide, d. h. Fette) binden, wodurch grosse Moleküle entstehen. Viele Jahre dachte man, das Vorhandensein von Glykanen sei geringer, als es tatsächlich ist, aber dann fand man heraus, dass ungefähr 60 % der Proteine an dieses Molekül gebunden sind und sogenannte Glykoproteine oder glykolisierte Proteine bilden. Es hängt viel davon ab, wie die Glykane die Proteine „umfassen“, da die verschiedenen Modalitäten ihre Funktion verändern können. Bei Tumoren zum Beispiel erfolgt die Glykosylierung (so nennt sich die „Umarmung“) anders als bei gesunden Proteinen, was zu einem Marker der Krankheit werden kann. Auch viele Bakterien sind glykosyliert (haben Glykane in ihrer Membran): Es handelt sich um eine sehr komplexe Welt, die noch zu erforschen ist».

Warum haben Sie sich unter den Hunderten von COST-Aktionen, die derzeit von der Europäischen Union gestartet werden, gerade für diese entschieden?

«Weil ich mich mit Computersimulationen von biologischen Systemen auf molekularer Ebene befasse (insbesondere versuche ich, die Wechselwirkungen zwischen den wesentlichen Kompenenten dieser Systeme, wie Proteine und der Zellmembran, zusammen mit bestimmten Arten von Medikamenten zu charakterisieren), und die Glykane sind sehr schwer zu erforschen, da sie sehr flexibel sind und eine grosse Variationsfreiheit haben. Es ist eine Herauforderung für alle, die sich mit computergestützter Biophysik befassen. Eine Herausforderung, die mich sofort fasziniert hat. In der Vergangenheit habe ich an anderen COST-Aktionen teilgenommen und ich halte sie für ein sehr nützliches Instrument, für diejenigen, die auf europäischer Ebene Netzwerke bilden möchten. Insbesondere ermöglichen sie es denjenigen, die sich wie ich mit computergestützter Modellierung befassen, mit Versuchslaboren in Kontakt zu treten und sich untereinander auszutauschen: Ein grundlegender Aspekt für meine Forschung».
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Auf dem Foto oben, Andrea Danani (© Loreta Daulte)