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Wissenschaft und Glaube: weit entfernte Positionen, aber auch völlig unerwartete Bindungen

Montag, 10. Januar 2022 ca. 6 Minuten lesen In lingua italiana

Die Integration zwischen der Theologischen Fakultät und der Università della Svizzera italiana hat begonnen. “Link” zwischen dem Master in Philosophie der USI und dem Bachelor in Theologie
von Valeria Camia

Über die Annäherung der Theologischen Fakultät Lugano (abgekürzt FTL) an die Università della Svizzera italiana (USI) sprach man bereits seit 2019. Zwei Jahre später und die Integrationshypothese beiseitegelegt, die die Tessiner Regierung nicht überzeugt hatte, aus Sorge, möglicherweise fehlende private Unterstützungen finanzieren zu müssen, ist die Angliederung der Fakultät an die USI Realität geworden mit dem Zweck, - erklärt der Rektor der Theologischen Fakultät, René Roux - «das Universitätszentrum der italienischen Schweiz zu stärken, indem die Synergien im Gebiet gefestigt und die Fähigkeit, Personen und Ressourcen anzuziehen, gesteigert wird». Dies beruht auf der Tatsache, dass das Ausbildungsangebot und die Forschungstätigkeiten ein Teil der USI-Programme werden, gemäss ihren Bestimmungen. Ein Beispiel? Der von der USI angebotene Masterstudiengang in Philosphie kann als natürliche Fortsetzung des Bachelors in Philosophie angesehen werden, der heute von der FTL angeboten wird. Ganz allgemein, aus akademischer Sicht, wird der bereits seit Jahren bestehende interfakultäre „Austausch“, dank der Angliederung gestärkt und stärker präzisiert, bei dem in der Vergangenheit Ad-hoc-Veranstaltungen und Momente des Austauschs zwischen Dozenten der Theologischen Fakultät und Kollegen der USI, die andere Disziplinen unterrichten, durchgeführt wurden, von Kommunikation über Recht und Wirtschaft bis hin zu künstlicher Intelligenz.

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Doch nicht nur das organisatorische Engagement wird dadurch gestärkt: In der Tat werden die Mitglieder der FTL, wie die der anderen Fakultäten auch in den akademischen Verwaltungsorganen der USI vertreten sein. Was dagegen die Ernennung der Dozenten der FTL betrifft, präzisiert Roux, dass «gemäss der Angliederungsvereinbarung, die Ernennung der festangestellten Professoren der FTL nach Verfahren und Methoden erfolgt, die denen des USI-Statuts entsprechen, vorbehaltlich der spezifischen Merkmale der Theologischen Fakultäten, ähnlich dem, was an anderen Schweizer Universitäten passiert. Ich möchte hinzufügen - sagt Roux - dass wir bereits in den letzten Jahren bei jeder Einsetzung in eine Planstelle in der FTL die USI aufgefordert habe, einen ihrer Professoren als Vertreter zu benennen, der in vollem Umfang an der Wettbewerbskommission teilnimmt».

Im Hinblick auf die Wahrung der Verwaltungsautonomie der Theologischen Fakultät bleiben bis heute einige Aspekte zu klären und darunter die Möglichkeit, eines einzigen Pressebüros: «Momentan - erklärt der Rektor - läuft die Arbeit der Kommission, die sich damit befasst, welche Dienste zentralisiert werden und welche in der direkten Zuständigkeit der Fakultät verbleiben». 

Und für diejenigen, die mit einer gewissen Perplexität die Möglichkeit eines kontinuierlichen und konstruktiven Dialogs zwischen denen, die sich mit theologischen Studien befassen und denen, die sich dagegen wissenschaftlichen Disziplinen widmen, sehen könnten, antwortet Markus Krienke, Dozent für moderne Philosophie und Sozialethik an der FTL: «Im akademischen Bereich - sagt er - geht es für den Glauben nicht darum, der Wissenschaft zu „sagen“, was für die Wissenschaft selbst möglich ist oder nicht. Letztere hat sicherlich andere Logiken und Methoden. Andererseits ist Gott kein „Notlösung“ für ungelöste wissenschaftliche Probleme. Jedoch - fährt Krienke fort - kann der Dialog zwischen wissenschaftlicher Welt und Glaube durchaus zu Themen stattfinden, die mit Menschlichkeit, Freiheit und Verantwortung verbunden sind. Ausgehend von genau dieser Annahme, dass der Wissenschaftler nicht unbedingt ein Mann des Glaubens, sondern ein Individuum ist, das sich ohnehin Fragen zum Wesen des Menschen stellt, ist die Theologie dazu aufgerufen, ihre Sicht des Menschen in einer „rationalen“ Sprache anzubieten, in der Überzeugung, dass Gott, wie Galileo Galilei glaubte, zwei Bücher geschrieben hat, das der Natur und das heilige Buch, die beide gelesen und erforscht werden müssen». 

Aber welche Fragen moralischer Natur sind in diesen Zeiten besonders wichtig und Gegenstand des Dialogs zwischen Gläubigen und Wissenschaftlern? «Denken wir an die jüngsten Forschungen auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz, der Neurowissenschaften oder der Bioethik - antwortet Krienke - die Fragen zu einem für die Theologie zentralen Thema aufwerfen, dem des Bewusstseins, d. h. dem letzten Bezug des Ichs, so etwas wie einem absoluten Bezug. Ob es die Stimme Gottes ist, wie für den hl. Thomas, oder die Stimme der Natur, wie für Rousseau; ob es, um Marx zu paraphrasieren, der Spiegel der Gesellschaft oder die Freudsche psychische Natur ist: All diese philosophischen Versuche, uns zu sagen, was Bewusstsein ist, lässt uns verstehen, dass es unseren Versuchen entgeht, es unbedingt mit irgendetwas zu identifizieren, und dennoch ist es auch in der wissenschaftlichen Forschung ständig „präsent“. Kurzum, zu diesem Thema - schliesst Krienke ab - hat sich die Menschheit seit jeher Fragen gestellt und wird es auch weiterhin zu, auch (und noch mehr) angesichts des wissenschaftlichen Fortschritts: Welche Beziehung hat das Bewusstsein mit der Welt um uns herum; welchen Raum nimmt es ein und wie wird es vom Gehirn erzeugt; wer ist sich bewusst, Neugeborene oder Tiere und wie viel und wie? Können ausserdem bewusste Maschinen gebaut werden? Über all diese Themen können sich Glaube und Wissenschaft austauschen, und die Tatsache, dass die Theologische Fakultät nun der USI, mit ihren wissenschaftlichen Instituten angegliedert ist, wird den Dialog sicherlich nur bereichern».

«Demnach - so Krienke - können Glaube und Wissenschaft von gegenseitigem Nutzen sein: Für den Glauben ist die wissenschaftliche Erforschung der Welt eine grosse Hilfe, um Autoritarismen, Dogmatismen und Fundamentalismen zu vermeiden, die die wahre Natur des Glaubens selbst verraten; während für die Wissenschaft der Glaube jene erweiterten Horizonte für die Forschungsgegenstände eröffnen kann, die uns daran hindern, das Verständnis der Welt auf Naturgesetze zu reduzieren. Man denke nur an die Fragen nach dem „Sinn des Lebens“. Sowohl Wissenschaft als auch Glaube haben ihren Platz in einer rationalen Sicht der Welt (Glaube ist nicht dasselbe wie Irrationalität). Davon abgesehen, führt ihre „gegenseitige Provokation“ oft zu interessanten Fortschritten für beide. Ich glaube nicht, dass der Rückgang des Glaubens eine direkte Folge zunehmenden Wissens ist: Glaube und Wissen stehen nicht in einem Konkurrenzverhältnis».
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(Auf dem Foto oben von Eugenio Celesti, der Eingang zur Theologischen Fakultät)