Lugano

Tag der Startups, Antrieb für Innovation und Bitte um mehr Finanzierungen

Sonntag, 12. März 2023 ca. 6 Minuten lesen In lingua italiana
Joy Bordini, Mitgründerin des Startups „Go Healthy & Co“ (Foto von Eugenio Celesti)
Joy Bordini, Mitgründerin des Startups „Go Healthy & Co“ (Foto von Eugenio Celesti)

Erfolg für die Initiative des Finanz- und Wirtschaftsdepartements im Kongresszentrum. Lorenzo Leoni (TiVentures): «Auch die Pensionskassen sollen in die Branche investieren. Jetzt ist es möglich». Ein neuer Fonds steht bereit
von Paolo Rossi Castelli

Wie viel Lust auf Startup! Am Donnerstag, den 9. Februar war das Kongresszentrum in Lugano zum zweiten Kantonaltag brechend voll, der den „verrückten Träumern“ gewidmet war, die eine Geschäftsidee haben, mit Leidenschaft daran glauben und unheimlich viel Zeit damit verbringen, sie in die Tat umzusetzen und Finanzgeber zu finden, die sie unterstützen können, obwohl sie wissen, dass 90 % der Startups die ersten fünf Jahre ihrer Tätigkeit nicht überleben. Aber trotz dieses Bewusstseins erschienen mindestens 400 Personen im Kongresszentrum (und weitere 100 haben sich per Computer zugeschaltet) und nahmen intensiv an einer kontinuierlichen Folge von Präsentationen, Gesprächsrunden und persönlichen Kontakten teil. 

Das Ziel der vom Finanz- und Wirtschaftsdepartement (DFE - Dipartimento delle finanze e dell’economia) in Zusammenarbeit mit der Stiftung Fondazione Agire und der Unterstützung der BancaStato organisierten Initiative war es vor allem, eine Brücke zwischen den „Startuppern“ und den möglichen Investoren zu bauen, erinnerte der Staatsrat Christian Vitta, im Bewusstsein, dass die kritische Phase (oft sehr schwierig oder manchmal unmöglich zu überwinden) für diejenigen, die sich in die Welt der innovativen Unternehmen wagen, gerade die Finanzierung ist. «Wir haben bereits eine Reihe von Steuererleichterungen für Startups und deren Unterstützer aktiviert - erklärte Vitta - aber wir müssen uns verbessern und die private Finanzierung stärker vorantreiben und diejenigen, die diese riskanten Investitionen angehen möchten, mit neuen Initiativen begleiten. Kurz gesagt, wir möchten bereits etablierte Unternehmer anregen, diese Branche zu unterstützen, indem wir den Informationsaustausch stärken und uns mit dem Rest der Schweiz und Norditalien verbinden, um das Tessin immer mehr zu einem idealen Terrain für neue Initiativen zu machen».

Schau in die Galerie Schau in die Galerie Schau in die Galerie (4 foto)

In diesem Zusammenhang kam eine wichtige Ankündigung von Lorenzo Leoni, erfolgreicher Unternehmer und „Managing Partner“ des Staatsfonds TiVentures, der derzeit 14 Tessiner Startups zum Start begleitet. Leoni kündigte die Errichtung eines neuen Investitionsfonds an, der eigens von TiVentures geschaffen und von den Bankbehörden genehmigt wurde, um im Laufe des Jahres 2023 20 Millionen Franken aufzubringen, die zur Unterstützung innovativer Startups verwendet werden sollen. «Dieses „Vehikel“ wie es im Fachjargon heisst, ist für professionelle Investoren erklärte Leoni und wie wir hoffen, für Pensionskassen gedacht, die seit 2022 befugt sind, einen kleinen Teil ihres Kapitals auch in „risikoreiche“ Unternehmen, wie Startups, zu investieren. Der Eintritt der Pensionskassen könnte angesichts der ihnen zur Verfügung stehenden Geldsummen ein Wendepunkt darstellen. Allein die Pensionskasse der öffentlichen Angestellten des Kantons Tessin verfügt beispielsweise über 4 Milliarden Franken. Es würde schon ausreichen - so Leoni weiter - dass sie 5 Promille in unseren neuen Fonds investieren und die für dieses Jahr geplanten 20 Millionen wären bereits aufgebracht. Es wäre, das sollte betont werden, eine Investition in die Realwirtschaft (nicht in Instrumente der internationalen Finanzen), die für neue Arbeitsplätze sorgt, Gehälter zahlt und letztendlich auch die an die Pensionskasse selbst gezahlten Beiträge erhöht... Das Tessin könnte zum Wegbereiter werden: Schon jetzt ist TiVentures fast ein Unicum im Schweizer Panorama, denn nur in Zürich gibt es etwas ähnliches (ein Venture-Capital-Fonds, der mit öffentlichen Geldern agiert, um Startups zu unterstützen). Der weitere Schritt wäre mit der Ankunft der Pensionsfonds noch innovativer».

Aber erscheint es nicht zu gefährlich, die Sozialbeiträge in Unternehmen zu investieren, die definitionsgemäss als risikoreich gelten? «Dies ist ein Mythos, den es zu widerlegen gilt - erklärt Leoni Ticino Scienza - und dies beweisen die Ergebnisse von TiVentures, der die zu unterstützenden Unternehmen mit äusserster Sorgfalt auswählt und sich 5-10 Jahre lang direkt an deren Verwaltung beteiligt, bevor er aussteigt. Nach diesen Kriterien sind nun die bisher von TiVentures investierten 8 Millionen Franken (von denen bereits 2,5 zurückgezahlt wurden) mittlerweile 20 geworden, weil die Unternehmen, an denen wir uns beteiligt haben, stark gewachsen sind. Durch Streuung der Risiken und grosse Sorgfalt erweist sich die „abenteuerliche“ Investition nicht nur im Tessin als eine der zufriedenstellendsten mit einer durchschnittlichen Rendite von 10-15 % pro Jahr (fast kein anderes Finanzinstrument kann ähnliche Ergebnisse bieten). Daher könnten die Pensionskassen stark daraus profitieren, wie dies andererseits in den USA, Skandinavien und Grossbritannien seit jeher der Fall ist. In dieser Hinsicht hinkt die Schweiz hingegen hinterher».

Aber wie viele innovative Startups gibt es im Tessin? Es ist nicht leicht, eine genaue Zahl festzulegen. «In den letzten 4 Jahren - erklärt Luca Bolzani, Präsident der Stiftung Fondazione AGIRE (die die Aufgabe hat, die Innovation in unserem Kanton zu fördern) - hatten wir 938 Kontakte (Anfragen nach Informationen, Hilfe, Unterstützung, Zusammenarbeit) von 402 Startups. Die Stiftung Fondazione AGIRE ist nun mit ungefähr 100 davon in Beziehung getreten, während unserer Schätzung nach weitere 100 ausserhalb unseres Umkreises agieren, wenn wir diesen Ausdruck verwenden wollen. Wir können also sagen, dass ungefähr 200 Startups im Tessin aktiv sind und rund 1.000-1.500 Mitarbeiter beschäftigen». 

Aber warum ist es für diejenigen, die versuchen, ein Startup zu starten so schwierig, Geldgeber zu finden, die dieses Risiko eingehen wollen? Dafür gibt es verschiedene und komplexe Gründe. Schwer wiegt auch das Fehlen Technischer Hochschulen im Tessin, die hingegen in Zürich und Lausanne als Katalysatoren für die Entstehung echter Innovationsbereiche und die daraus resultierende Beschaffung von Geldmitteln resultierten (letztes Jahr der grösste Teil der in Schweizer Startups investierten 4 Milliarden Franken landete nach Angaben des Swiss Venture Capital Report 2023 in Zürich-Lausanne/Genf, während nur 40 Millionen im Tessin ankamen). Aber es gibt auch einfachere, fast entwaffnende Erklärungen. «Die Investoren - sagt Joy Bordini, CEO und Mitgründerin von Go Healthy & Co, einem Startup, das eine Selbsthilfe- und Präventionsunterstützungssoftware entwickelt hat - suchen nach Projekten, die sich stark auf einen einzelnen Fokus konzentrieren und einen Mehrwert bieten. Wer ein Startup gründet, muss ein echtes Problem lösen. Man muss sich, wie man so sagt, in das Problem verlieben und nicht in die Lösung. Wenn man etwas wirklich Nützliches tut, werden die Investoren früher oder später kommen».