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Die lange Jagd nach Stammzellen zur Reparatur von Herzinfarktschäden

Montag, 7. Oktober 2019 ca. 5 Minuten lesen In lingua italiana

Eine von Giuseppe Vassalli veröffentlichte Studie befasst sich mit «induzierten pluripotenten Stammzellen», die aus mesenchymalen Zellen des Herzens gewonnen werden. Diese eignen sich auch für personalisierte Tests zur Bestimmung der Toxizität von Medikamenten.
von Paola Scaccabarozzi

Herz und Stammzellen – ein ebenso faszinierendes wie kontroverses Thema. Diese Art von Zellen bietet neue Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten für Erkrankungen wie Herzinfarkt, chronische Herzinsuffizienz und angeborene Herzkrankheiten, und damit neue Hoffnungen. Doch viele Fragen, auf die man seit Jahren nach einer Antwort sucht, bleiben offen: Gibt es im Inneren des Herzens Stammzellen? Stellen sie eine ausreichende und nützliche «Reserve» für die Reparatur von Herzschäden dar? Kann man sie verwenden, und wenn ja, wie? Gibt es noch andere Regenerationsmöglichkeiten?

Zahlreiche Versuche, Stammzellen direkt im Herzmuskel zu identifizieren, haben zwar wichtige, aber nicht eindeutige Ergebnisse geliefert, und auch die vielen Forschungsprojekte zur Reparatur von Herzinfarktschäden mit nicht-kardialen Stammzellen haben nicht die erhofften Ergebnisse erbracht. «Zellen, die aus verschiedenen Geweben isoliert wurden, insbesondere aus dem Knochenmark und dem Fettgewebe sowie aus dem Herzen selbst, wurden zur Reparatur geschädigter Bereiche des Herzens eingesetzt», bestätigt Giuseppe Vassalli, Titularprofessor an der neuen Fakultät für Biomedizinische Wissenschaften der Università della Svizzera italiana, Kardiologe am Cardiocentro Ticino (Tessiner Herzzentrum) und Leiter des Labors für molekulare und zelluläre Kardiologie an der Foundation for Cardiovascular Research and Education (FCRE) in Taverne. «Nach akuten Herzinfarkten wurden die aus dem Knochenmark des Patienten isolierten Zellen nach international anerkannten Protokollen in das Herz injiziert. Man spricht, vereinfacht gesagt, vom Einsatz von Stammzellen. In Wirklichkeit umfassten die injizierten Zellen nur eine kleine Anzahl von echten Stammzellen; den Grossteil bildeten hingegen mehr oder weniger differenzierte Zellen. Diese Tatsache führte zu unrealistischen Erwartungen seitens der Patienten und der Öffentlichkeit. Jedenfalls war das Ergebnis dieser klinischen Studien nicht besonders vielversprechend, und die festgestellte Verbesserung der Herzfunktion liegt im Bereich von 0 % bis 5 %.»

Schau in die Galerie Schau in die Galerie Giuseppe Vassalli, Titularprofessor an der neuen Fakultät für Biomedizinische Wissenschaften an der Università della Svizzera italiana.
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Angesichts dieser Misserfolge haben die Forscher auch andere Wege eingeschlagen. Einer davon bezieht sich auf die sogenannten Exosomen (kleine Bläschen, die von Zellen produziert und an die Umgebung abgegeben werden). «Wir haben festgestellt – erklärt Vassalli –, dass der begrenzte Nutzen von Stammzellen (aus dem Knochenmark und anderen Organen), die in das infarzierte Herz injiziert wurden, nicht darauf zurückzuführen war, dass diese Zellen die toten Herzzellen ersetzten. In Wirklichkeit waren die positiven Effekte mit der Freisetzung von Substanzen und extrazellulären Organellen, darunter die Exosomen, durch die ins Herz injizierten Zellen verbunden. Insbesondere hat man entdeckt, dass Exosomen Wirkstoffe (RNA und Proteine) enthalten, die in der Lage sind, die Funktion anderer Zellen zu beeinflussen. Den Beweis hierfür lieferte eine Reihe von Experimenten, die unter anderem von meiner Gruppe durchgeführt wurden: Exosomen, die (aus menschlichen kardialen «Vorläuferzellen») im Labor hergestellt und in das Herz von Tieren mit akutem Herzinfarkt injiziert wurden, reduzierten das Ausmass des Herzinfarkts und verbesserten die Herzfunktion. Es handelt sich also um eine vielversprechende Forschungsrichtung, sowohl im Hinblick auf die Ergebnisse, die man sich folglich auch beim Menschen erhofft, als auch hinsichtlich der einfachen Verfahren zur Konservierung der Bläschen (es genügt ein normaler Gefrierschrank) und der Möglichkeit der unmittelbaren Verabreichung in der akuten Phase des Herzinfarkts.»

Eine weitere Strategie besteht schliesslich darin, nicht mehr aus Knochenmark und Fettgewebe isolierte Zellen, sondern andere Zelltypen zu verwenden: sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen (induced pluripotent stem cells – iPS). Das sind aus «reifen» Zellen (in der Fachsprache «adulte somatische Zellen» genannt) gewonnene Stammzellen, die durch ein ausgeklügeltes gentechnisches Verfahren (entwickelt vom Japaner Shinya Yamanaka, Nobelpreisträger 2012) so umprogrammiert werden, dass sie in einen unreifen Zustand «zurückversetzt» werden. Auf diese Weise verlieren die Zellen ihre Spezialisierung und werden wieder zu «primitiven» Zellen (bzw. Stammzellen), die folglich in der Lage sind, sich in andere Zelltypen zu entwickeln: in unserem Fall in Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten). Die Gruppe von Vassalli setzte «Vorläuferzellen» des mesenchymalen Typs (genauer gesagt Bindegewebszellen) ein, die aus dem erwachsenen menschlichen Herzen isoliert wurden, um induzierte pluripotente Stammzellen mit einigen vorteilhaften Eigenschaften im Hinblick auf die Bildung von Kardiomyozyten zu erhalten, was unter anderem der Tatsache zu verdanken ist, dass die eingesetzten Zellen eine Art positives «Gedächtnis» besitzen. Die Ergebnisse dieser Studie sind kürzlich in der wissenschaftlichen Zeitschrift «Biochimica et Biophysica Acta – Molecular Cell Research» erschienen. Doch werden diese «neuen» Stammzellen wirklich in der Lage sein, Herzinfarktschäden zu reparieren? «Trotz des aussergewöhnlichen Potenzials dieser Technologie – erklärt Vassalli – befinden wir uns aus therapeutischer Sicht im Wesentlichen noch in einer präklinischen Phase, und es wird voraussichtlich mehrere Jahre dauern, bis neue therapeutische Anwendungen entwickelt werden. Die aus diesen Stammzellen gewonnenen Kardiomyozyten können jedoch bereits für eine Reihe von Labortests neuer Medikamente (Antiarrhythmika und Stimulatoren der kardialen Kontraktilität) eingesetzt werden. In der Praxis lässt sich sofort feststellen, ob experimentelle Medikamente therapeutische oder unerwünschte Wirkungen haben, indem man sie mit diesen Zellen in Kontakt bringt. Mithilfe dieser personalisierten Methode können Folgerisiken für den Patienten vermieden werden (man kann nämlich messen, wie Medikamente auf die Zellen einzelner Individuen wirken). Dies ist vor allem bei Patienten mit Erkrankungen, die durch eine genetische Mutation verursacht werden, von entscheidender Bedeutung – ein Beispiel für echte personalisierte Medizin.»

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Herzinfarkt
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