WIKIMEDIA

So hilft Fotografie, die Geheimnisse
(und Personen) der Wissenschaft zu enträtseln

Samstag, 11. Juni 2022 ca. 7 Minuten lesen In lingua italiana

Im Auditorium der USI die nationale Preisverleihung des Fotowettbewerbs Wiki Science Competition. In einer der Kategorien gewann eine von Ticino Scienza veröffentlichte Reportage von Marian Duven über das IDSIA
von Paolo Rossi Castelli

Wissenschaft fotografieren? Kein einfaches Unterfangen, das jahrzehntelang fast ausschliesslich Fachpublikationen vorbehalten war. Jetzt ist das Interesse an dieser Art von Bildern (und an dieser Art von Nachrichten) jedoch wesentlich höher und weiter verbreitet, und es gibt zahlreiche Fotografen, Profis und Laien, die versuchen, von einer Welt zu erzählen - die der Labore, der „Maschinen“, des unendlich Kleinen, der Sterne -, die mit einem Objektiv kompliziert einzufangen, aber sehr reizvoll ist. Dies zeigt der Erfolg der “Wiki Science Competition”, einem der wichtigsten internationalen Wettbewerbe für wissenschaftliche Bilder, der trotz der Verlangsamung der beruflichen und sozialen Aktivitäten aufgrund des Covid-Effekts, bei der Ausgabe 2021 eine sehr hohe Anzahl von eingesandten Fotos verzeichnete: 4.500. Vor einigen Wochen wurden die nationalen Gewinner (in 13 verschiedenen Ländern) ausgewählt, die bis Dezember 2022 auf internationaler Ebene um das „Finale“ kämpfen werden. Wie der Name bereits sagt, wurde der Wettbewerb von Wikimedia organisiert, die Stiftung, die Wikipedia und weitere wichtige Projekte verwaltet.

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Die Preisverleihung der Schweizer „Sektion“ der Wiki Science Competition fand am Mittwoch, 18. Mai in Lugano statt, während einer öffentlichen Zeremonie im Auditorium der Università della Svizzera italiana (zum ersten Mal fand diese Veranstaltung südlich der Alpen statt). Und das Tessin erschien auch in der Gewinnerliste, denn eine der Kategorien (Image sets) des Wettbewerbs gewann die Fotografin Marian Duven, mit einer Reportage über das IDSIA USI-SUPSI (Dalle-Molle-Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz) in Lugano, die im letzten November von unserem Portal Ticino Scienza veröffentlicht wurde. 

Die anderen Preise gingen an Anna Sophia Kamenik Albertini, Computerchemikerin an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (Kategorie „Non-photographic media“); Didier Roguet, Kurator des botanischen Gartens in Genf (Kategorie „General“); Charlotte E. T. Huyghe, Doktorandin am Salzburger Lab der Universität Basel (Kategorie „Image sets“); Luis Scarabino, Angestellter in der Verkaufsabteilung einer Pharmaindustrie und leidenschaftlicher Fotograf (Kategorie „Wildlife and Nature“); Samuel Tobler, Doktorand in Learning Sciences an der Technischen Hochschule Zürich (Kategorie „Wildlife and Nature“). Schliesslich ging ein Preis an die ETH Library für „die Wirkung auf die breite Öffentlichkeit, die genaue Beschreibung, die Bedeutung für die Lehre“. 

Die Gewinner der Schweizer Wiki Science Competition kommen also teils aus renommierten Institutionen, teils sind sie jedoch einfache Fotobegeisterte. «Das ist eines der charakteristischen Merkmale unseres Wettbewerbs - erklärt Ilario Valdelli, Program Manager für Innovation bei Wikimedia CH. – In den vergangenen Ausgaben tauchten bisher unbekannte Persönlichkeiten auf, die sich danach, auch dank der Competition etabliert haben».

Der im Jahr 2007 zum ersten Mal von der estnischen Sektion von Wikimedia organisierte Wettbewerb möchte Talenten Raum geben, aber zugegebenermassen auch die Bildarchive von erweitern, die Wikimedia allen kostenlos zur Verfügung stellt. So wurden die Bilder des Wettbewerbs in die Plattform Wikimedia Commons eingefügt und können frei verwendet werden, sofern die Quelle angegeben wird, gemäss der CC BY-SA Lizenz. «Dies ist ein sehr wichtiges Thema für uns - sagte Jenny Ebermann, Geschäftsführerin von Wikimedia CH, während der Zeremonie. - Wir können es mit „Knowledge as a service“ zusammenfassen, d. h. Wissen, in den Dienst aller stellen. Aus diesem Grund sind wir hier: Um diesen Bilderreichtum auch denen nahe zu bringen, die zum Beispiel nichts mit Wissenschaft zu tun haben… Wissen darf nicht nur einer Elite, der gebildetsten, gehören. Wir möchten allen Menschen der Erde Zugang geben, insbesondere denjenigen, die keine Ahnung davon haben, was im Rest der Welt vor sich geht».

Das war der zentrale Gedanke, der Jimmy Wales und Larry Sanger, Gründer von Wikipedia, dazu brachte, das Projekt 2001 zu starten. «Und unsere Universität hatte beschlossen eben Wales - erinnerte Luca Gambardella, Prorektor für Innovation und Unternehmensbeziehungen der USI - im Jahr 2014 den Ehrendoktor in Kommunikationswissenschaft zu verleihen, mit folgender Begründung: „Für seinen Beitrag bei der Förderung der Online-Wissensaustauschs und der Bereitstellung einer kollaborativen enzyklopädischen Plattform, die für verschiedene Sprachen und Kulturen offen ist“. Nun, der Gedanke der Multikulturalität und Mehrsprachigkeit gehört auch zur DNA unserer Universität».

Aber zurück zu den Fotografien. «Wir hatten beschlossen, einen Wettbewerb zu veranstalten - erklärte Ivo Kruusamägi, Geschäftsführer von Wikimedia Estland - um Materialien zu sammeln, die sonst verloren gegangen oder vergessen worden wären. Danach ist alles sehr gewachsen und wir kamen zur Wiki Science Competition, die wir heute kennen. Wir erhalten immer schönere Fotos, und haben auch festgestellt, dass Wissenschaftler viel aufmerksamer und kritischer sind, im Vergleich zu ihrer eigenen Arbeit. Auf jeden Fall muss die Fotografie nicht unbedingt eine Kopie der Realität sein. Sie kann auch einen Aspekt einfangen, der sonst nicht wahrgenommen würde, sie kann dem fotografierten Motiv Wert verleihen... Wir stehen erst am Anfang einer langen Reise und wollen mit Innovation und Wissensaustausch vorangehen».

Es ist tatsächlich wichtig, auch von den Menschen zu erzählen, die Wissenschaft „machen“ und nicht nur vom technischen Teil ihrer Studien, umso mehr in einer Zeit wie der unseren, in der Forscher gebeten wurden, schnell ein Heilmittel zu finden, um die Coronavirus-Pandemie zu blockieren, ohne jedoch so gut wie nie zu wissen, wie das Arbeitsumfeld ist, in dem sie sich bewegen, und welche Gesichter, Bestrebungen und Probleme diese Menschen haben. Die Reportage von Marian Duven über das IDSIA USI-SUPSI ging genau von diesem Ansatz aus und konzentrierte sich auf die menschliche Seele. «Es ist eine interessante Art, von der Wissenschaft zu berichten - kommentiert Andrea Rizzoli, Direktor des Instituts - die wir schätzen und fördern wollen. Künstliche Intelligenz kann durch Computer und Roboter dargestellt werden, aber auch, indem man über die Menschen spricht, die sie entwickeln».

Diese Haltung und der Wert der Bilder nehmen im Tessin eine besondere Bedeutung ein, wo eine sehr intensive, aber noch wenig bekannte wissenschaftliche Aktivität stattfindet. «Nur wenige Menschen innerhalb und ausserhalb des Kantons wissen, dass diese Region ein relevantes Forschungszentrum in verschiedenen Bereichen ist: Biomedizin, künstliche Intelligenz, Solarforschung, und vieles mehr - sagt Silvia Misiti, Direktorin der IBSA Foundation for scientific research in Lugano, die das Portal Ticino Scienza herausgibt. - Und nur wenige Menschen wissen, wie die Forscher, die in unserer Region arbeiten, „gemacht sind“ (wie sie aussehen), da die traditionellen Medien diesen Sektor, obwohl er so wichtig ist, nur sehr wenig „abdecken“. Also war es ein Muss, würde ich sagen, unsere Fotografen in die Labore zu schicken».

Aber wie ist, mit dem Auge des Fotografen gesehen, der Umgang mit den Wissenschaftlern, denen oft vorgeworfen wird, zu starr und distanziert zu sein, und Laien ihr Wissen nicht vermitteln zu können? «Als ich die Orte der Wissenschaft zum ersten Mal betrat - erzählt Marian Duven - war ich verängstigt und wiederholte mir: Ich bin so klein im Vergleich zu all diesen grossartigen Menschen! Danach sagte ich mir, dass alle ein Herz haben, alle lieben, lachen, hassen, weinen… Und an diesem Punkt hatte ich keine Angst mehr: Ich bin genauso grossartig wie diese Menschen!».

 

Marian Duven wurde in Venezuela geboren und lebte lange Zeit in den Vereinigten Staaten, mit einer „Passage“ auch in Kanada. Dann zog sie in die Schweiz, reiste aber weiterhin viel für die Arbeit, und diese Erfahrungen, kombiniert mit dem kulturellen Mix, den sie mitbringt, haben die Qualität und Originalität ihrer Arbeit betont. Marian vereint grosse technische Fähigkeiten mit einem bemerkenswerten kreativen und künstlerischen Geist. Und das macht die von ihr fotografierte Welt schöner, auch die manchmal „kalte“ Welt der Wissenschaft. Sie füllt sie mit Charme.
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(Unter Mitwirkung von Sara Comodo. Auf dem Foto oben eines der Bilder von Marian Duven, die bei der Wiki Science Competition ausgezeichnet wurden)