regenerative medizin

Rekonstruktion der Gelenke mit Stammzellen: Hoffnung, die näher rückt

Freitag, 2. April 2021 ca. 4 Minuten lesen In lingua italiana

Untersuchung neuer Techniken zum Aufbau der biologischen Gewebe in den EOC-Laboren. Darüber haben wir mit Christian Candrian gesprochen, dem Leiter für Orthopädie und Traumatologie am Krankenhaus von Lugano
von Elisa Buson

Wir alle kennen den Schauer, der uns über den Rücken jagt, wenn der Mechaniker unser Auto betrübt ansieht, die Arme ausbreitet und sagt: «Das kann man leider nicht reparieren, wir müssen das ganze Teil auswechseln». Wir wissen, dass der Eingriff invasiv und kostspielig sein kann, und wenn wir kein Original-Ersatzteil nehmen, kann es Probleme geben. Jetzt stellen Sie sich vor, dass diesen Satz der Orthopäde bei der Betrachtung einer Radiografie des Knies ausspricht: «Es tut mir leid, aber das Gelenk ist so abgenutzt, dass man es nicht mehr reparieren kann, wir müssen eine Prothese einsetzen». Die Vorstellung eines langen, grossen Eingriffs, einer langen Rehabilitation, des Infektions- und Ablösungsrisikos gefällt keinem. Glücklicherweise gibt es eine spezielle «Werkstatt», in der alternative, erhaltende Lösungen untersucht werden: Dort arbeiten spezielle «Mechaniker», die anstelle des Blaumanns weisse Kittel tragen und anstelle von Inbusschlüsseln und Schraubenziehern mit Zellen und 3D-Druckern arbeiten, um Knochen, Knorpel und Sehnen zu reparieren. Wir befinden uns in den Laboren der Abteilung für Chirurgie des Bewegungsapparates SCAL am Ente Ospedaliero Cantonale (EOC).

Empfangen werden wir vom wissenschaftlichen Leiter Prof. Dr. med. Christian Candrian, der zugleich Leiter der Abteilung für Orthopädie und Traumatologie am Regionalkrankenhaus Lugano ist. Zum Forschungsteam der Abteilung für Chirurgie des Bewegungsapparates am EOC gehören rund dreissig Mitarbeiter: die einen arbeiten mit Professor Matteo Moretti in der translationalen Forschung zur Entwicklung neuer Techniken für den Gewebeaufbau, die anderen befassen sich mit der klinischen Forschung an Patienten unter der Koordinierung von Professor Giuseppe Filardo. Sie sind seit über 15 Jahren im Bereich der regenerativen Medizin tätig und haben seit ein paar Jahren mit der Erforschung neuer Bioprinting-Techniken begonnen, um Gewebe im 3D-Drucker herzustellen und die eigenen Zellen des Patienten als «lebende Tinte» zu verwenden.

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«Unser Ziel ist die Rekonstruktion der originalen Anatomie des Gelenks, ohne auf die Implantation einer künstlichen Prothese zurückgreifen zu müssen: Man weiss, dass sie für Hüfte und Schulter sehr gut funktionieren und auch für das Knie gute Ergebnisse liefern, aber das gilt nicht für all die anderen Gelenke – betont Candrian. – Ich denke, dass der Gewebeaufbau vor allem im Falle des Knies deutlich bessere Ergebnisse erzielen kann». Für das Bioprinting gibt es zwei Hauptbereiche: «Wir werden die Verletzungen an Knorpel und Knochen infolge von degenerativen Krankheiten oder Traumata behandeln können – so Candrian weiter – aber auch Verletzungen an den Sehnen wie zum Beispiel der Rotatorenmanschette, die vor allem bei Personen über 60 sehr häufig vorkommen».

Die Ziele sind klar, aber der Weg dorthin ist noch weit und beschwerlich. Bisher haben die Forscher die Rezepte zur Herstellung von Knochen, Sehnen und Knorpeln skizziert. «Den Ausgangspunkt bilden die eigenen Zellen des Patienten, insbesondere die pluripotenten Stammzellen, die unterschiedliche Typen erwachsener Zellen ausbilden können – so Candrian. – Wir können sie beispielsweise dem Fettgewebe entnehmen, in Zukunft können wir aber auch die Stammzellen aus gespendeten Nabelschnüren verwenden. Andere Male hingegen verwenden wir die Chondrozyten, die Zellen, aus denen das Knorpelgewebe hervorgeht, die wir direkt aus der Nasenscheidewand entnehmen». Sobald die Zellen isoliert sind, werden sie vermehrt und dann auf einer 3D-Gerüst im Reagenzglas ausgesät und kultiviert. Auf diese Weise wird das Gewebe im Labor nachgebildet, aber derzeit ist es «noch nicht möglich, dass die Zellen denselben Reifegrad erreichen wie die Zellen im Körper des Patienten» – räumt Candrian ein. Und auch ein anderes Problem gilt es zu überwinden: «Bisher sind wir nur in der Lage, kleine Gewebe in der Grössenordnung von einem oder zwei Zentimetern herzustellen – erklärt der Experte – denn wir sind noch an der Erforschung eines Systems, das die Durchblutung bereits bei der Implantation funktional macht: Ohne Gefässe, welche die Zellen mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen, besteht die Gefahr, dass das Gewebe kurz nach der Transplantation abstirbt und alle Bemühungen zunichte macht».

Laut Candrian «dauert es noch ca. ein Jahrzehnt, bis diese Bioprinting-Techniken am Patienten für den Aufbau ganzer Gelenkteile angewendet werden können». Allerdings kann man heute schon kleine lokalisierte Knorpeldefekte reparieren, wie eine laufende Untersuchung mit der Universität Basel zeigt. «Wir leiten unsere Patienten dorthin weiter – so Candrian abschliessend – gehen aber davon aus, dass wir diese Behandlung noch in diesem Jahr auch hier im Tessin vornehmen können».


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