NEUE SZENARIEN

Klinische Forschung mit Karacho wenn die künstliche Intelligenz in vollem Gang sein wird

Montag, 13. Juni 2022 ca. 4 Minuten lesen In lingua italiana

Experten wurden „einberufen“ zum jährlichen Symposium der Swiss Clinical Trial Organisation, der nationalen Plattform für klinische Forschung, die sich erstmals in der italienischen Schweiz trifft.
von Elisa Buson

 

Es könnte eine Zeitwende für die Medizin werden, vergleichbar mit dem Übergang von der Kutsche zum Auto. Die Einführung künstlicher Intelligenz (KI) bei klinischen Studien könnte die Entwicklung neuer Therapien wie nie zuvor vorantreiben und ihren Übergang vom Labor zum Bett des Patienten beschleunigen. Es bleibt jedoch noch viel zu tun. Damit der „Motor“ der data science im „Fahrzeug“ der klinischen Forschung einwandfrei funktioniert, werden immer fortschrittlichere und effizientere Technologien benötigt, aber nicht nur das: Es fehlt noch an „Sicherheitsgurten“, „Ampeln“ und einer echten „Strassenverkehrsordnung“, die deren Benutzung regelt. Diese neuen Herausforderungen werden am 15. Juni beim jährlichen Symposium der Swiss Clinical Trial Organisation (SCTO) diskutiert, der nationalen Kooperationsplattform für patientenorientierte klinische Forschung, die sich erstmals in der italienischen Schweiz, auf dem Campus Ost der Università della Svizzera italiana (USI) in Lugano trifft.

«Mehr als 150 nationale und internationale Experten werden zusammenkommen, um die Entwicklung des Sektors zu betrachten und die potenziellen Risiken und Vorteile dieser neuen Technologien zu bewerten», erklärt Professor Alessandro Ceschi, Direktor der Clinical Trial Unit (CTU) des Ente Ospedaliero Cantonale (EOC) und Vorstandsmitglied der CTUs der SCTO. Eröffnet wird das Symposium durch eine mit Spannung erwartete Keynote Lecture von Michael Bronstein, Professor für Künstliche Intelligenz an der Universität Oxford und weltweiter Führer im Bereich des „geometrischen maschinellen Lernens“, einem Gebiet, das in letzter Zeit auch in der klinischen Forschung und Arzneimittelentwicklung ein breites Anwendungsspektrum gefunden hat. 

Künstliche Intelligenz kann in der Tat in verschiedenen Phasen der klinischen Forschung eingesetzt werden: Sie kann die Entwicklung und die Machbarkeitsanalyse von Versuchen verbessern und sie gezielter und effektiver machen; sie kann die Auswahl der Patienten erleichtern, da die Ein- und Ausschlusskriterien immer komplexer werden und auf grossen Datenmengen zum biomolekularen Profil der Krankheiten beruhen; sie kann die Echtzeiterfassung von Daten unterstützen, die bei einzelnen Patienten gesammelt werden; schliesslich kann sie die Ausarbeitung der Ergebnisse erleichtern, um den Forschern bei ihrer Interpretation zu helfen.

Derzeit wird künstliche Intelligenz im Tessin nicht routinemässig in klinischen Versuchsreihen eingesetzt, bahnt sich aber langsam ihren Weg in einige Studien. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Dalle Molle Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz (IDSIA - Istituto Dalle Molle di Studi sull’Intelligenza Artificiale) von USI und SUPSI, «das der Referenzpartner ist, mit dem wir seit einigen Jahren eine strukturierte Zusammenarbeit pflegen», betont Professor Ceschi. «Vor wenigen Monaten haben wir auch ein Treffen zwischen unseren klinischen Forschern und Experten von IDSIA gefördert, eine Art Brainstorming, um gemeinsam die Möglichkeit abzuschätzen, künstliche Intelligenz auf neue klinische Studien anzuwenden, indem Synergien auf dem Gebiet genutzt werden».

Aus diesem Expertengremium gingen verschiedene Initiativen hervor, die bereits zu ersten erfolgreichen Anwendungen geführt haben. Einige Ergebnisse werden auf dem STCO-Symposium präsentiert, wo Pietro Cippà des EOC und Daniele Malpetti des IDSIA zeigen werden, wie künstliche Intelligenz im Bereich der K-CLIER-Studie zur Einzelzell-RNA-Sequenzierung in der Nephrologie eingesetzt wurde, während Mauro Manconi des EOC und Francesca Mangili des IDSIA über KI im Projekt LIFE-ON im Bereich der Schlafmedizin sprechen werden.

Das Symposium wird jedoch nicht nur wissenschaftliche und technologische Aspekte behandeln. «Wir haben eine interdisziplinäre Veranstaltung vorbereitet - fährt Ceschi fort - bei der das Thema der KI aus allen Blickwinkeln beleuchtet wird: Nicht nur aus der Sicht von Forschern, sondern auch von Ethikkommissionen, Regulierungsbehörden, Patientenverbänden, Finanzierungseinrichtungen und Medtech-Industrien und Startups». Eine umfassendere Anwendung der KI wird in der Tat einen neuen Regelungsbedarf mit sich bringen, worüber Alessandro Blasimme der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich sprechen wird, sowie neue ethische und rechtliche Herausforderungen, die von Susanne Driessen, Präsidentin der Schweizerischen Vereinigung der Forschungsethikkommissionen (swissethics) untersucht werden.
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Auf dem Foto oben (© Ti-Press / Alessandro Crinari), ein Arzt bei der Arbeit auf der Intensivstation des Spitals Locarno. Systeme der künstlichen Intelligenz werden viele der derzeit laufenden Verfahren verändern und verbessern.