Schweizer Jugend forscht

Forschung? «Nicht nur eine Leidenschaft und ein Wettbewerb, sondern vor allem eine Gelegenheit zum Zusammensein»

Freitag, 6. Mai 2022 ca. 6 Minuten lesen In lingua italiana

Das Finale des nationalen Wettbewerbs «Schweizer Jugend forscht» für innovative Projekte, an dem 100 Schülerinnen und Schüler aus 17 Kantonen teilnahmen, fand auf dem Campus Ost in Viganello statt
von Paolo Rossi Castelli

Insgesamt wurden dreihundert Projekte von ebenso vielen Schülerinnen und Schülern aus 17 Schweizer Kantonen mit einer Leidenschaft für die wissenschaftliche Forschung eingereicht. Nach der schwierigen Coronazeit bewarben sich viele junge Menschen auf die Ausschreibung des nationalen Wettbewerbs «Schweizer Jugend forscht», der nun schon zum sechsundfünfzigsten Mal stattfand. Die Projekte wurden im Oktober 2021 eingereicht und in den darauffolgenden Monaten von einer Fachjury geprüft, die die 100 innovativsten Projekte auswählte. In den letzten Tagen hatten die Jungforschenden auf dem Campus Ost der USI-SUPSI in Viganello im Rahmen einer Art Finale die Möglichkeit, ihre Projekte einer Vielzahl von Besucherinnen und Besuchern, Lehrerinnen und Lehrern sowie Forschungsbegeisterten, die diese «Ausstellung» der besonderen Art belebten, an eigens eingerichteten Mini-Ausstellungsständen (exakt 100 an der Zahl) vorzustellen. Seit 2012 hatte das Finale des Wettbewerbs nicht mehr südlich der Alpen stattgefunden.

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Alle 100 Finalistenprojekte erhielten eine Bewertung (von gut bis hervorragend), auf deren Grundlage Geld- und Sonderpreise vergeben wurden. Zu letzteren zählen unter anderem Studienreisen sowie die Möglichkeit, an der Nobelpreisverleihung teilzunehmen, die «Anmeldung» zu einem Forschungscamp auf dem Jungfraujoch (in 3.500 m Höhe) und die Teilnahme an dem von der Europäischen Union organisierten Wissenschaftswettbewerb European Contest for Young Scientists.

Was ist das Ziel des von der Berner Stiftung «Schweizer Jugend forscht» organisierten nationalen Wanderwettbewerbs? «Die Förderung von Talenten», so Mariasole Agazzi, Kommunikationsmanagerin für die italienische Schweiz. «Ziel ist es, jungen Menschen mit innovativen Ideen eine Bühne zu geben und ihnen die Möglichkeit zu bieten, ein Netzwerk an Kontakten und Bekanntschaften aufzubauen, die für ihre Zukunft wichtig sein könnten. Kurz gesagt, der Wettbewerb soll der Beginn von etwas noch Grösserem sein.» Wie alt sind die Teilnehmenden? Zwischen 16 und 23 Jahren. 

Der Wettbewerb «Schweizer Jugend forscht» wird vom Bund, der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich sowie von privaten Sponsoren unterstützt. Organisiert wird er, wie bereits erwähnt, von der Stiftung «Schweizer Jugend forscht», die 1970 vom Biologen und Zoologen Adolf Portmann, Professor an der Universität Basel und Autor wichtiger Evolutionsstudien gegründet wurde. Portmann war 1967 Vorsitzender der ersten Ausgabe des Wettbewerbs und beschloss drei Jahre später, als nunmehr 70-Jähriger, die gleichnamige Stiftung zu gründen, um mehr Initiativen für wissenschaftlich interessierte junge Menschen ins Leben zu rufen. Seitdem steht der Wettbewerb unter der «Leitung» der Stiftung.

7 der Finalistinnen und Finalisten der diesjährigen Ausgabe stammen aus der italienischen Schweiz. Ihre Projekte zeichnen sich durch ein hohes wissenschaftliches Niveau aus und wurden von den «Senior»-Wissenschaftlern, welche die Jugendlichen in manchen Fällen sogar bei ihrer Forschungsarbeit unterstützten, äusserst positiv bewertet. Das Team um Vittorio Limongelli, Professor für Pharmakologie und Computerbiologie an der Università della Svizzera italiana, stellte beispielsweise Nathan Oberti, einem 18-jährigen Schüler des Kantonalen Gymnasiums Bellinzona, Computer und Software zur Verfügung, um die dreidimensionale Struktur des Proteins MAS1 (das bei verschiedenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine wichtige Rolle spielt) zu simulieren und mögliche Wechselwirkungen mit Medikamenten vorherzusagen. Für diese Studie wurde Nathan der Sonderpreis «Regeneron International and Engineering Fair ISEF» verliehen, mit dem er die Schweiz bei einem renommierten Wissenschaftswettbewerb für Jugendliche in den Vereinigten Staaten vertreten wird.

Eine weitere Tessiner Finalistin, die 19-jährige Jocelyne Savi aus dem Gymnasium Lugano 1, wurde hingegen mit einer Zusammenarbeit mit dem IOR (Istituto Oncologico di Ricerca – Onkologisches Forschungsinstitut) in Bellinzona für ein Projekt prämiert, das darauf abzielt, mathematische Modelle zu erarbeiten, um die Entwicklung eines bestimmten Lymphomtyps sowie entsprechende Therapieergebnisse vorherzusagen. «Ich werde an der ETH Mathematik studieren – so Jocelyne –, um sie in verschiedenen Bereichen der Medizin möglichst nützlich und „konkret“ anwenden zu können.»

Martino Camponovo und Ramon Fitze (Gymnasium Lugano 2) entwickelten wiederum ein originelles System, bei dem eine RedOx-Zelle (wie sie in der Fachsprache genannt wird) mit einer Kultur essbarer Cyanobakterien (welche die Biomasse der sogenannten Spirulina-Alge produzieren) kombiniert wird, um mithilfe des beim Wachstum dieser Mikroorganismen freigesetzten Sauerstoffs elektrische Energie zu erzeugen. 

Es gibt aber auch Jungforscher wie Martino Valsangiacomo (Gymnasium Lugano 2), der sich dem Studium der Konzertsaalakustik widmete. Oder wie Daniel Barta (Gymnasium Lugano 2), der sich mit den sogenannten «Swing-by-Manövern» befasste, mithilfe deren Raketen durch Nutzung des Gravitationsfelds jener Himmelskörper, denen sie auf ihrer Reise begegnen, ohne den Einsatz von Treibstoff beschleunigt werden können. Für sein Projekt erhielt Daniel den Sonderpreis «European Space Camp» (ESC), der es ihm ermöglicht, eine Woche im norwegischen Andøya Space Center zu verbringen.

In einem ganz anderen Bereich zeigte Aki Giulia Bücher (Bündner Kantonsschule), wie man aus einem oft als Nebenprodukt betrachteten Lebensmittel (Lachsrogen) ein Produkt mit hohem Nährwert gewinnen kann. Aki wurde für dieses Projekt mit dem Sonderpreis «Alfred Escher – ETH Student» ausgezeichnet.

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Doch was veranlasste Hunderte von Schülerinnen und Schülern in den letzten Monaten zur Teilnahme an diesem Wettbewerb, der viel Engagement, Zeit und Arbeit erforderte und somit eine zusätzliche Belastung neben dem normalen Lernrhythmus bedeutete? Selbstverständlich wurden, wie bereits erwähnt, sowohl Sonderpreise als auch Geldpreise im Gesamtwert von rund 90’000 Franken vergeben. Aber das ist bei weitem noch nicht alles: «Wir haben am Wettbewerb teilgenommen, um andere junge Leute aus der ganzen Schweiz kennenzulernen», erklärt Martino Valsangiacomo. «Es ist nämlich trotz der Sprachbarrieren interessant, sich mit anderen Jugendlichen zu unterhalten und über das eigene Projekt auszutauschen. Kurz gesagt, wir haben teilgenommen, weil es wichtig ist, sich zu engagieren