SUPSI

Auf der Jagd nach Radon, einem Gas, das tief im Erdreich entsteht und (manchmal) in Gebäude eindringt

Freitag, 9. Juni 2023 ca. 6 Minuten lesen In lingua italiana
Foto: Alfio Tommasini
Foto: Alfio Tommasini

In Mendrisio gibt es das „Centro Competenze Radon“, das erste in der Schweiz gegründete Radon-Kompetenzzentrum. Nicht nur Radonmessungen in Gebäuden – vor allem in Altbauten und Keller –, sondern auch Forschung. Interview mit dem Leiter Luca Pampuri
von Agnese Codignola

Radon ist ein geruchloses, farbloses und unsichtbares Gas. Es ist in tiefen Erdschichten enthalten und entsteht beim Zerfall von Uran, das überall im Erdboden vorhanden ist. In einigen Fällen steigt es zur Oberfläche auf, dringt durch undichte Stellen in Gebäude ein und sammelt sich dort zum Teil in hohen Konzentrationen in Wohn- oder Arbeitsräumen an. Es handelt sich aber auch um ein giftiges Gas, das, wenn es eingeatmet wird, zu einem deutlich erhöhten Lungenkrebsrisiko führen kann. Aus diesem Grund ist es wichtig, möglichst genau zu wissen, in welchen Gebieten das Radonvorkommen besonders hoch ist und vor allem, in welchem Zustand die dort befindlichen Gebäude sind. Der Aufenthalt in Gebäuden, die sich in Gebieten befinden, in denen dieses Gas freigesetzt wird, kann nämlich ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko darstellen: Schätzungen zufolge erkranken und sterben im Tessin jährlich etwa zwanzig Personen an Lungenkrebs, der durch Radon verursacht wird (von insgesamt 200-300 Todesfällen in der Schweiz, die auf radonbedingte Tumoren zurückzuführen sind). Und das Tessin zählt leider zu den Regionen mit den höchsten Radonkonzentrationen in der Schweiz. 

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Man kann sich zwar zum Glück vor Radon schützen, aber es sind konkrete und wirksame Massnahmen erforderlich. Im Tessin wurde die erste grosse Radon-Messkampagne in Gebäuden zwischen 2005 und 2010 durchgeführt. Dabei wurden auf Initiative des Laboratorio Cantonale (dt. Kantonales Laboratorium) mehr als 50.000 Gebäude untersucht und anschliessend eine erste grosse kantonale Übersichtskarte erstellt. Die Initiative war erfolgreich und führte 2008 zur Gründung des ersten Radon-KompetenzzentrumsCentro Competenze Radon der Fachhochschule Südschweiz SUPSI in Mendrisio, das heute von Luca Pampuri geleitet wird. Im Anschluss an die Einrichtung des Tessiner Kompetenzzentrums wurden zwei weitere Zentren eröffnet: eines für die französische und eines für die deutsche Schweiz. Alle drei Zentren erfüllen eine Vielzahl von Aufgaben und arbeiten eng mit dem Bundesamt für Gesundheit zusammen. Sie stellen der Bevölkerung nicht nur regelmässig Informationen zur Verfügung und initiieren Sensibilisierungskampagnen, sondern bieten auch laufend Schulungen für im Bauwesen tätige Personen an, die entweder für die Radonmessungen und -sanierungen zuständig oder für die Planung und den Bau sicherer Gebäude verantwortlich sind. Darüber hinaus organisieren die Zentren auch Kurse für Architektur- und Ingenieurstudenten sowie für Vermessungstechniker, um das Bewusstsein dieser zukünftigen Fachleute für die Radonproblematik und die Notwendigkeit entsprechender Reduzierungsmassnahmen zu schärfen.

Qualifizierte Messungen der Radonkonzentration müssen gemäss den Richtlinien des Bundesamtes für Gesundheit im Winter erfolgen, da die Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht in dieser Jahreszeit am grössten sind. In der Winterzeit kann die Radonkonzentration in Gebäuden nämlich am stärksten ansteigen, da der sogenannte „Kamineffekt“, der durch den Temperaturunterschied zwischen Innen- und Aussenraum entsteht, das Eindringen des Gases begünstigt.

Beraterinnen und Berater, die über eine entsprechende Ausbildung verfügen, treten ausserdem in direkten Kontakt mit Bürgern, Fachleuten und Unternehmen. Pampuri erläutert: «Nach der Schweizer Gesetzgebung sind Haus- oder Wohnungseigentümer nicht verpflichtet, die Radonkonzentration in den Innenräumen zu messen, obwohl es immer gut wäre, zu wissen, mit welchen Konzentrationen man täglich in Kontakt kommt. Sollten die Eigentümer trotzdem Messungen vornehmen (z. B. im Rahmen eines Kaufvertrags), bei denen der zulässige Grenzwert von 300 Becquerel pro Kubikmeter überschritten wird, müssen entsprechende Massnahmen ergriffen werden. Das Gleiche gilt für Neubauten, bei denen dieser Grenzwert von Anfang an eingehalten werden muss. In solchen Fällen kommen die Berater ins Spiel: Sie ermitteln, welche Gebäudebereiche einer weiteren Untersuchung bedürfen und schlagen spezifische Massnahmen vor». Radon kann zum Beispiel durch Risse oder undichte Stellen ins Gebäudeinnere eindringen, insbesondere, wenn es sich um Altbauten handelt so Pampuri weiter.
Doch auch Neubauten können ein Risiko darstellen: Dämmschichten sowie dichte Fenster und Türen können Gebäude luftdicht machen, was einen geringeren Luftaustausch und in einigen Fällen die Ansammlung des Gases zur Folge hat. Glücklicherweise gibt es viele Möglichkeiten, das Eindringen oder die Konzentration von Radon zu begrenzen, wie der Experte erklärt: «Manchmal genügen bereits minimale Massnahmen wie beispielsweise die Sanierung von Rissen oder das Anbringen spezieller Radonsperren. In anderen Fällen sind jedoch radikalere Massnahmen erforderlich, wie z. B. der Einbau eines permanenten Belüftungssystems entweder im Kriechkeller (Hohlraum zwischen dem Fundament des Gebäudes und dem Boden des Erdgeschosses, Anm. d. Red.) oder, falls dieser nicht vorhanden ist, direkt im Boden. Mitunter können Massnahmen im Keller sowie an den Böden und Wänden notwendig sein. Bei niedrigen Radonkonzentrationen und vor allem in Wohn- oder Arbeitsräumen in den unteren Stockwerken eines Gebäudes kann es genügen, stets für einen guten Luftaustausch zu sorgen, um zu verhindern, dass sich das Gas im Laufe der Zeit in gefährlichen Konzentrationen anreichert». 

Darüber hinaus beteiligt sich das Zentrum regelmässig an Forschungsprojekten, die zum Teil auch von seinen täglichen Aktivitäten ausgehen. Ein Beispiel dafür ist die Studie Radon Mitigation Efficiency, die in Zusammenarbeit mit verschiedenen regionalen und nationalen Partnern durchgeführt wurde und bei der es darum ging, Sanierungsmassnahmen einige Jahre nach ihrer Durchführung auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen, um etwaige kritische Aspekte aufzuzeigen und entsprechende Lösungen vorzuschlagen. «Es sind regelmässige Kontrollmessungen erforderlich – erklärt Pampuri –, da die Sanierungsmassnahmen im Laufe der Zeit automatisch oder auch aufgrund fehlender Wartung ihre Wirksamkeit verlieren. Wenn jedoch in regelmässigen Abständen Kontrollmessungen durchgeführt werden, lässt sich dieses Risiko erheblich verringern».
Bei einer Radonsanierung ist es also nicht mit einer einzigen Massnahme getan, so wirksam sie auch sein mag. Die Radonproblematik muss, wie es auch bei anderen Umweltschadstoffen der Fall ist, in das allgemeine Bewusstsein rücken: Nur durch die ständige Wachsamkeit der Bürgerinnen und Bürger kann ein umfassender, dauerhafter und wirksamer Schutz erzielt werden.