Wie verändert sich die Forschungin der Covid-Ära? Eine „Plattform“ lüftet dies
In Manno das jährliche, von der Fondazione Epatocentro organisierte Treffen: Eine Gelegenheit, die Protagonisten der Gesundheit und der Forschung zusammenzubringen und „gemeinsam zu entscheiden“von Paolo Rossi Castelli
Sich einmal im Jahr gemeinsam an einen Tisch setzen und über wichtige Themen zu Gesundheit und Gesellschaft im Tessin nachdenken: Ein Kanton, der sehr reich an Initiativen und Studien ist, die jedoch in zahlreiche Einrichtungen und Institutionen (USI, EOC, IRB, IOR, Clinica Luganese, Clinica Sant’Anna, Krankenkasse, Kantonsarzt- und Apothekerpraxen, pharmazeutische und biomedizinische Unternehmen, usw.) zersplittert sind, die Mühe haben, eine gemeinsame Front zu finden und „gemeinsam zu entscheiden“, kurzum Veränderungen und Herausforderungen, mit einer globalen Vision zu begegnen. Gerade um diese Schwierigkeiten zu überwinden (oder zu versuchen zu überwinden) wurde im Jahr 2015 auf Initiative der Fondazione Epatocentro Ticino die jährliche Diskussionsplattform zur Vortrefflichkeit und Nachhaltigkeit des Gesundheitssystems gegründet. Am 16. November bringt die Plattform in der Sala Aragonite in Manno Experten aus verschiedenen Bereichen zusammen, um - in einem so besonderen Jahr - darüber zu sprechen, wie die Pandemie die biomedizinische Forschung verändert hat. Die Konferenz beginnt um 17 Uhr bei freiem Eintritt (nach vorheriger Online-Anmeldung) und natürlich unter Einhaltung der Anti-Covid-Bestimmungen.
Teilnehmen werden Giovanni Pedrazzini, Dekan der Fakultät für Biomedizinische Wissenschaften der Università della Svizzera italiana (USI); der Staatsrat Raffaele De Rosa, Direktor des Ministeriums für Gesundheit und Soziales; Silvia Panigone, Chief Operating Officer von NLS Pharmaceutics; Andreas Cerny, Direktor der Fondazione Epatocentro Ticino; Christian Garzoni, Gesundheitsdirektor der Clinica Luganese Moncucco; Alessandro Ceschi, Direktor der Clinical Trial Unit des EOC; Davide Robbiani, Direktor des IRB; Silvia Misiti, Direktor der IBSA Foundation für wissenschaftliche Forschung. Es folgt eine Gesprächsrunde, die von Paolo Galli, Chefredakteur des Corriere del Ticino, moderiert wird. Bei dem Treffen wird über die Besonderheiten und die Stärken einer relativ kleinen Kantonwie dem Tessin im Kampf gegen das Coronavirus gesprochen und die unterschiedliche Rolle kleiner Biotech-Unternehmen in dieser Notsituation (früher fast als Störelemente des Markts betrachtet und jetzt der wesentliche Antrieb der Therapien), auch mit einem Blick auf die wissenschaftliche Kommunikation.
DIE ANDEREN PROJEKTE DER STIFTUNG - Das jährliche Treffen der Plattform ist in Wahrheit nur eine der zahlreichen Veranstaltungen und Projekte, die die Fondazione Epatocentro vorantreibt. «Wir sind intensiv in der wissenschaftlichen Forschung und in der Ausbildung von Ärzten (und in der Information der Patienten) tätig - erklärt Andreas Cerny. - Im Bereich der Forschung konzentrieren wir uns auf Studien zu autoimmunen Lebererkrankungen, für die wir in der Schweiz zu einem Referenzzentrum geworden sind. Zu diesen seltenen und komplexen Erkrankungen organisieren wir alle zwei Jahre auch einen internationalen Kongress in Lugano». Erst vor wenigen Tagen, am 21. Oktober, veröffentlichte das New England Journal of Medicine (eine der weltweit wichtigsten wissenschaftlichen Zeitschriften für Medizin) die Ergebnisse einer Forschung, an der auch Benedetta Terziroli, Medizinforscher der Fondazione Epatocentro Ticino teilgenommen hat.
Im internationalen Bereich, arbeitet die Stiftung gemeinsam mit dem King’s College in London und dem Synlab-Labor daran, genauere Diagnosesystem zu definieren und mögliche genetische Varianten zu entdecken, die die Funktionsweise der „Gallentransporter“ verändern. Was ist das? «Wenn die Leber die Galle synthetisiert (notwendig für die Fettverdauung) - erklärt Cerny - verwendet sie sozusagen drei kleine Pumpen. Diese Mikrostrukturen können bereits bei der Geburt zahlreiche Variationen aufweisen und dies beeinträchtigt die Zusammensetzung der Galle selbst, was zur Bildung von Gallensteinen führen kann. Es kann aber auch aufgrund komplexer biochemischer Mechanismen Juckreiz am ganzen Körper oder ernstere Probleme auslösen. Aus diesem Grund ist es wichtig, bereits im Kindesalter herauszufinden, ob etwas nicht richtig funktioniert».
Insgesamt hat die Fondazione Epatocentro im letzten Jahr 740.000 Franken von verschiedenen Einrichtungen und Institutionen sowie von Privatpersonen gesammelt, die zahlreiche Forschungsaktivitäten ermöglicht haben, von denen 17 bereits zur Veröffentlichung wissenschaftlicher Arbeiten geführt haben (andere sind dagegen noch in Arbeit) sowie die Durchführung von 23 Ausbildungsprojekten. „Die Fondazione Epatocentro Ticino - hat der Präsident Sebastiano Martinoli im Wissenschaftlichen Bericht 2020 mit zufriedenen Worten geschrieben - hat, anstatt sich von den Einschränkungen der Epidemie überwältigt hinzusetzen, eine lebendige Forschungsdynamik und innovative Projekte entwickelt hat, indem sie ihre wissenschaftliche Gruppe mit in- und ausländischen Universitäten verknüpft und sachlich mit dem völlig auf den Kopf gestellten, aber aus Sicht der Infektionskrankheiten sehr interessanten Bereich der Clinica Luganese Moncucco zusammenarbeitet. Der Beweis: die Einführung der COVID-19 Biobank, in der biologische Proben von erkrankten Patienten aufbewahrt werden. Eine wertvolle Struktur, um jetzt und in Zukunft noch unbekannten Daten zu erfassen, wie uns das Coronavirus befällt und wie es ungefährlicher oder sogar unschädlich gemacht werden kann.
DAS EPATOCENTRO TICINO SA - Die Stiftung arbeitet eng mit dem Epatocentro Ticino SA (ein von Professor Cerny und anderen Kollegen gegründetes Unternehmen) zusammen, das jedoch völlig unabhängig und „getrennt“ arbeitet, wie es andererseits die Vorschriften vorsehen. «Das Epatocentro Ticino SA - erklärt Professor Cerny - ist eine Gesellschaft, die akkreditierten Ärzten eine Reihe von Dienstleistungen bietet. Es stellt Infrastrukturen (in Lugano, Bellinzona, Locarno, Mendrisio und weiteren Städten) zur Verfügung, in denen die Ärzte arbeiten und Patienten empfangen können: Sie müssen nur einen Laptop dabei haben... Alles andere (Sprechzimmer, Geräte, Analyselabor, usw.) wird vom Epatocentro Ticino SA verwaltet». Die Ärzte, allesamt Spezialisten im Bereich der Leber- und Gallenwegserkrankungen, sind keine Angestellten, sondern Aktionäre der Gesellschaft. «Unsere Gesellschaft ist eine demokratische Struktur - fährt Cerny fort. - Die Ärzte stellen die Rechnung direkt an die Krankenkassen aus und erstatten der SA einen von Jahr zu Jahr variierenden Anteil als Vergütung für die ihnen zur Verfügung gestellten Infrastrukturen. Wir haben nicht das Ziel die Gewinne zu maximieren: Jeder unserer Ärzte investiert einen Teil seines Kapitals in die SA und nimmt am Erfolg des Unternehmens teil. Wenn er beschliesst, zu gehen, wird ihm sein Aktienanteil zurückerstattet. Es handelt sich um ein Modell, dass uns unsere Berater von Anfang an vorgeschlagen haben». Fast alle Spezialisten des Epatocentro Ticino SA nehmen zudem an den Forschungsaktivitäten der Fondazione Epatocentro Ticino teil. «Die Stiftung - wiederholt Cerny - wurde genau aus diesem Grund gegründet: Um die Forschung zu verwalten und Momente der Ausbildung zu planen».
Vor der Gründung des Epatocentro Ticino SA waren Cerny und einige seiner Kollegen in der Clinica Luganese Moncucco angestellt (und davor war Cerny von 1999 bis 2006 Chefarzt der inneren Medizin im Ospedale Civico in Lugano). Danach beschloss Professor Cerny im Jahr 2013 im Einvernehmen mit der Leitung der Clinica Luganese sich selbständig zu machen, in den Räumlichkeiten der Via Soldino 5 zu bleiben (und an dieser Stelle eine Miete zu zahlen), jedoch „Protagonist“ zu werden - wie er selbst sagt.
Die Spezialisten der von Cerny koordinierten Gruppe befassen sich mit allen Lebererkrankungen (Hepatitis, Cholangitis, Fettleber, Zirrhose, Tumore u.v.m.), mit besonderem Augenmerk auf Patienten, die eine Transplantation benötigen oder bereits eine „neue“ Leber erhalten haben. «In der Schweiz gibt es nur drei Gesundheitsstrukturen, in denen diese Eingriffe durchgeführt werden - stellt Cerny klar: - Das Inselspital Bern, das Universitätsspital in Genf und das in Zürich. Aus verschiedenen Gründen, die hauptsächlich mit dem Vorhandensein von Personal in ständigem Kontakt mit den Tessiner Ärzten zusammenhängen, fällt die Wahl der südlich von den Alpen lebenden Menschen letztendlich jedoch fast immer auf die Städte Bern und Genf. Wir betreuen die Patienten und ihre Familienangehörigen bei allen Schritten der Prozedur, von der Diagnose über die Notwendigkeit einer neuen Leber, bis hin zur Verlegung und zur Operation. Derzeit betreuen wir im Tessin rund achtzig transplantierte Patienten und ungefähr zehn die darauf warten. Wir haben auch ein sehr gutes Verhältnis zum Ente Ospedaliero Cantonale, an dem Professor Pietro Majno-Hurst arbeitet, der bis vor wenigen Jahren zum Lebertransplantationsteam in Genf gehörte. Bei Bedarf beziehen wir auch ihn (der sich mittlerweile hauptsächlich mit onkologischen Leber- und Bauchspeicheldrüsenerkrankungen befasst) und sein Team in die Therapie der Patienten mit ein, die wir im Epatocentro betreuen. Die Hepatologie im Tessin ist einer der Bereiche, in dem die Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Gesundheitswesen am stärksten ist».