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Europäische Geldmittel zur Forschung des BRCA-Gens, das dem Krebs den Weg ebnet

Mittwoch, 26. Mai 2021 ca. 5 Minuten lesen In lingua italiana
Auf dem Bild der Agentur Shutterstock eine 3D-Rekonstruktion des Proteins BRCA1, vom gleichnamigen Gen codiert
Auf dem Bild der Agentur Shutterstock eine 3D-Rekonstruktion des Proteins BRCA1, vom gleichnamigen Gen codiert

Neue, wichtige Anerkennung des ERC an Petr Cejka (IRB in Bellinzona) für die Forschungsarbeit an den Varianten, die den Brust- und Eierstocktumor begünstigen
von Elisa Buson

Toll, bravo, Zugabe! Applaus für den Biologen Petr Cejka, Professor am Forschungsinstitut für Biomedizin IRB (einer Zweigniederlassung der Università della Svizzera Italiana) in Bellinzona, dem zum zweiten Mal in seiner Karriere eine heissbegehrte Förderung des Europäischen Forschungsrates (ERC) zugesprochen wurde: Stattliche 1,8 Millionen Euro, die es ihm ermöglichen werden, die Funktion der Gene BRCA1 und BRCA2 zu untersuchen, die an der Entstehung von Brust- und Eierstocktumoren beteiligt sind. Das Projekt zählt zu den 209 Gewinnern der ERC Advanced Grants 2020, die aus über 2.600 Bewerbern aus 25 Ländern ausgewählt wurden: 12 Preisträger dieser Ausgabe kommen aus der Schweiz. Dank Cejka steigt die Gesamtzahl der ERC-Auszeichnungen, die an Forscher der USI gegangen sind, auf 23.

«Der Gewinn der zweiten ERC-Förderung ist eine Anerkennung für unser gesamtes Labor: Es zeigt, dass unsere Studenten und Postdocs eine für die Gemeinschaft wichtige und wertvolle Arbeit leisten», wie der Biologe mit Stolz berichtet. «Und selbstverständlich ist es auch eine höchst willkommene finanzielle Unterstützung: Knapp zwei Millionen Schweizer Franken sind grosse Hilfe für unser Labor und geben uns die Chance, Fragen zu stellen und Experimente durchzuführen, die anderweitig nicht möglich gewesen wären».

Seine Forschungsgruppe befasst sich seit Jahren mit einem besonderen Mechanismus der DNA-Reparatur, der sogenannten «homologen Rekombination». Es handelt sich um ein System, das alle Zellen des menschlichen Körpers anwenden, um Schäden in der Doppelhelix des Lebensmoleküls zu reparieren: Dabei ist besonders präzises Vorgehen gefragt, um die Einführung gefährlicher Mutationen zu vermeiden, die zu einem unkontrollierten Zellwachstum und der Bildung von Tumoren führen können. «In meinem Labor – so Cejka – erforsche ich die homologe Rekombination seit meiner Rückkehr 2011 von der University of California in Davis in die Schweiz. Die normalen Zellen nutzen diesen Mechanismus, um versehentliche Brüche der DNA zu reparieren, um uns vor Tumoren zu schützen: Diese Funktionsweise zu verstehen kann uns dabei helfen, neue Krebstherapien zu entwickeln». 

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Diese derart innovative Forschung wurde 2016 mit dem ERC Consolidator Grant prämiert. Es handelt sich dabei um Finanzmittel, mit der die EU vielversprechende Forscher in den ersten Jahren nach dem Doktorat unterstützt: Eine mit knapp zwei Millionen Euro dotierte «Vertrauensspritze», die seinem Labor den nötigen Sprit bis März 2022 liefert. Auch dank dieser Geldmittel konnte Cejka das Tempo verschärfen und ein bisher unbeachtetes, zweifaches Ziel in den Fokus rücken: Die Gene BRCA1 und BRCA2.

«Diese Gene wurden vor Jahren wegen ihrer Verbindung zu den Tumoren an Brust und Eierstöcken identifiziert», erzählt Cejka. «Man hat herausgefunden, dass die beiden an der DNA-Reparatur beteiligt sind, aber was genau sie machen ist noch unklar, vor allem bei BRCA1». Der Grossteil der bisher durchgeführten Studien – erklärt der Experte – wurde an im Reagenzglas gezogenen menschlichen Zellen durchgeführt, denen BRCA1 oder BRCA2 entzogen worden war. «Obgleich die Erforschung ihres Benehmens ohne diese Gene sehr hilfreich ist, weist sie dennoch Grenzen auf», wie der Forscher betont. «Als würde man versuchen, die Funktion eines kleinen Fahrzeugteils zu verstehen, indem man es ausbaut und versucht, ohne es zu fahren: Man kann daraus lernen, dass dieses Teil wichtig ist, um den Motor zu starten oder die Überhitzung zu vermeiden oder für die Bremstätigkeit, aber wie genau es funktioniert, kann man so nicht herausfinden. Wir möchten einen anderen Ansatz verwenden, bei dem wir das einzelne Teil isolieren und untersuchen, nicht das ganze Fahrzeug. Freilich weist auch unser Ansatz Grenzen auf: Würden wir uns ausschliesslich auf die Arbeit an BRCA1 und BRCA2 beschränken und dabei andere wichtige Komponenten vernachlässigen, könnten wir lange Zeit im Dunkeln tappen. Auch das ist Wissenschaft: Die erzielten Kenntnisse aus verschiedenen Perspektiven betrachten».

Das auf fünf Jahre ausgelegte Projekt namens BRCA INSIGHTS wird im April 2022 gestartet und beschäftigt wohl vier Forscher, denen eine auch aus technischer Sicht wirklich harte Herausforderung bevorsteht. «BRCA1 und BRCA2 zählen zu den grössten Proteinen der menschlichen Zellen und lassen sich dementsprechend schwierig präparieren», wie Cejka erläutert. «Des Weiteren möchten wir den aus BRCA1 und BRCA2 gebildeten Komplex als Ganzes untersuchen, was bisher noch nie gemacht wurde. Die Präparation dieser Proteine in ausreichender Menge wird eine sehr aufwendige Aufgabe». Das Ziel ist jedoch ganz klar. «Wir hoffen, dass wir nach dem Erhalt der BRCA1-BRCA2-Komplexe in der Lage sind, den Reparaturmechanismus der DNA gemeinsam mit anderen Proteinen im Reagenzglas zu rekonstruieren: Durch seine Beobachtung könnten wir sehen, wie er auf molekularer Ebene funktioniert».

Dieses Wissen ist für die Entwicklung neuer, immer gezielterer Medikamente von grundlegender Bedeutung. Erst kürzlich, so Cejka, «hat man herausgefunden, dass die Zellen mit Mutationen der Gene BRCA1 und BRCA2 auf eine bestimmte Klasse Medikamente, die PARP-Inhibitoren, sehr empfindlich ansprechen. PARP ist ein Enzym, das an einem anderen Reparaturmechanismus der DNA als die BRCA-Gene beteiligt ist: Mit dieser Therapie gelingt es, selektiv die Tumorzellen abzutöten und die gesunden Zellen zu verschonen. Es ist eine Erfolgsstrategie, aber häufig können Resistenzen auftreten, deren Ursachen noch geklärt werden müssen». Wenn wir die Funktion der beteiligten Proteine genauer kennen, «kann uns dies das Tor zu neuen Therapien öffnen, womöglich aus Perspektiven, die bisher unvorstellbar waren».

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