JUBILÄUM

Vierzig Jahre „Pharma“-Industrie mit wachsenden Umsätzen und neuen Forschungsanreizen

Sonntag, 12. Juni 2022 ca. 7 Minuten lesen In lingua italiana

Am 14. und 15. Juni eine Reihe von Initiativen, die von Farma Industria Ticino, die 46 Unternehmen vereint, organisiert wurden. Der Life-Science-Sektor, der auch Biotech und Medtech umfasst, erreicht einen Umsatz von 2,7 Milliarden
von Paolo Rossi Castelli

Farma Industria Ticino (FIT, der Verband, der 46 Pharmaunternehmen im Kanton vereint) wird 40 Jahre alt und feiert mit zwei Tagen Konferenzen, Versammlungen und Konzerten, aber auch mit sehr positiven und wachsenden Zahlen. «Der Gesamtumsatz im pharmazeutischen Sektor - erklärt der Präsident Giorgio Calderari - ist in den letzten zehn Jahren stetig gestiegen und die Beschäftigung (fast 3.000 Angestellte) nimmt ebenfalls zu, zusammen mit Investitionen in Forschung und Einrichtung neuer Labors». 

Wenn wir unseren Blick auf den gesamten Life-Science-Sektor (Biowissenschaft) erweitern, der - neben der eigentlichen Pharmazeutik - auch Biotech, Medtech und den Grosshandel mit pharmazeutischen Produkten und chirurgischen und orthopädischen Geräten umfasst, sehen wir, dass gerade dieser Bereich in der Tessiner Wirtschaft am meisten gewachsen ist. Insbesondere laut der Daten des BAK (einem unabhängigen Schweizer Wirtschaftsforschungsinstitut), die während der FIT-Versammlung präsentiert werden, stieg die Wertschöpfung je Mitarbeiter (BWS, einer der wichtigsten Parameter zur Messung der Produktivität) von Life Science im Tessin von 2011 bis 2019 um ganze 17,1 % pro Jahr und übertraf damit sogar den Schweizer Durchschnitt (immer im Life-Science-Sektor), der bei 13,4 % pro Jahr „stoppte“. Diese Steigerungen erscheinen viel höher als die der Wirtschaft im Allgemeinen (+2,2 % pro Jahr im Tessin und +2 % in der Schweiz).
Insgesamt erwirtschafteten die Tessiner Life Sciences 2019 einen Umsatz von 2,7 Milliarden Franken, was 8,5 % des kantonalen Bruttoinlandsprodukts entspricht: Ein wichtiger Wert. «Und 80 % dieses Betrags - so Calderari - sind Exporte mit hohem Mehrwert».

Natürlich sind die Zahlen niedrig im Vergleich zu den Zahlen der grossen Pharmaunternehmen, die in der Schweiz (vor allem in Basel) vertreten sind, wie Novartis und Roche, die zu den grössten Pharmaunternehmen der Welt gehören (in diesem Fall spricht man sogar von einem Umsatz von 60 Milliarden Franken pro Jahr). «Aber wir sagen gerne - fügt Calderari hinzu - dass wir, wenn wir unseren gesamten Industriesektor zusammentun würden, ein kleines, grosses multinationales Unternehmen wären...».

Farma Industria Ticino feiert wie gesagt 40 Jahre, aber in Wahrheit wurde sie 1980 gegründet, und deshalb hätten die eigentlichen Feierlichkeiten bereits 2020 stattfinden müssen. Der Covid blockierte jedoch jede Initiative und alles wurde auf den 14. und 15. Juni dieses Jahres im Kongresszentrum von Lugano verschoben, um ein Jubiläum 40+2 zu feiern... Geplant ist eine öffentlich zugängliche Ausstellung mit dem Titel Piazza Ticino mit vier Themenbereichen (Forschung, ständige Weiterbildung, Grundausbildung und soziale Verantwortung von Unternehmen) und den Ständen von 15 Unternehmen. Die Ausstellungsräume können am Dienstag von 13:30 Uhr bis zum Abend und am Mittwoch ab 10 Uhr besucht werden. 

Dienstagnachmittag um 14:30 Uhr ist zudem ein „Pharma summit“ (eine Gesprächsrunde), in englischer Sprache geplant, mit dem Titel: “Elevate the patient voice to drive patient-centric innovation: the role of pharma industry”. Man wird praktisch über die wachsende Rolle sprechen, die auch Patienten bei der Auswahl und der Verwaltung klinischer Studien zukommen wird, beispielsweise durch eine dauerhafte und breite Teilnahme an Ethikkommissionen. Eröffnet wird die Arbeit von Giorgio Calderari und danach werden sieben Experten von internationalem Rang sprechen (hier die vollständige Liste). 

Am Mittwoch ist hingegen die Versammlung von FIT geplant, mit der Ernennung des neuen Präsidenten (Calderari tritt nach 13 Jahren zurück) und der anderen Verbandsämter. Um 18 Uhr folgt ein öffentliches Treffen mit Mauro Lustrinelli, Trainer der Schweizer Fussballnationalmannschaft U21, der darüber sprechen wird, wie man Talente erkennt und fördert, nicht nur im Sport.

Am Abend, um 20:30 Uhr findet schliesslich ebenfalls im Kongresszentrum ein Konzert der Barocchisti unter der Leitung von Diego Fasolis, mit dem Titel „Anerkennung und Wiedergeburt“ statt. Es werden Vivaldis Vier Jahreszeiten gespielt. «Die Idee des Konzerts - erklären die Organisatoren - entstand als Danksagung und Aufwertung der Arbeit, die das Gesundheitspersonal der Klinik Moncucco während der Pandemie geleistet hat». Informationen zu Eintrittskarten unter der E-Mail-Adresse info@fit-2020.ch

Aber zurück zum Tessiner Pharmasektor, der sich in den letzten vierzig Jahren sehr verändert hat, parallel zu den grossen Entwicklungen in der biomedizinischen Forschung im Kanton, dem Protagonisten eines regelrechten Booms ab Ende der 90er Jahre, mit der Gründung des IRB (Istituto di ricerca in biomedicina - Institut für Biomedizinische Forschung), des IOR (Istituto oncologico di ricerca - Onkologisches Forschungsinstitut), des Neurocentro und des Cardiocentro, und mit der Ankunft der Fakultät für biomedizinische Wissenschaften der Università della Svizzera italiana und auch des MedTech-Sektors innerhalb des Departements für innovative Technologien der SUPSI. «Im Jahr 1980 - erinnert Calderari - waren weniger als 30 Unternehmen an Farma Industria Ticino beteiligt und der Zweck von FIT war der, einer eher technischen Unternehmensvertretung. Nach und nach hat sich unsere Mission erweitert, und auch die Zahl der beteiligten Unternehmen ist gewachsen, wodurch eine „Corporate Identity“ entstanden ist, mit der sich heute alle identifizieren. Wir haben uns auch für Startups im Biotech-Sektor geöffnet und einige Partner aus dem Beratungsbereich aufgenommen. Sicherlich hat das Ökosystem, das inzwischen um uns gewachsen ist, dem Pharma-System zum Wachstum verholfen, mit einem Austausch von Aktivitäten und Menschen».

Doch wie aktiv sind die Tessiner Pharmaunternehmen im Bereich der Forschung? «Es gibt mehrere virtuose und bedeutende Beispiele - erklärt Calderari - auch wenn es stimmt, dass die Tessiner Unternehmen hauptsächlich auf die Produktion ausgerichtet sind und auch für grosse multinationale Unternehmen arbeiten, die ihre Fähigkeiten schätzen».
Um einige Beispiele aus dem Forschungsbereich zu nennen, experimentiert IBSA mit fortschrittlichen Technologien zur Optimierung der Bioverfügbarkeit, der Effizient und der Sicherheit bekannter Wirkstoffe, wie z. B. orodispersible Filme (ODF) oder die PEARLtec Technology zur Herstellung von Softgel (weiche Kapseln), die den Wirkstoff in einer flüssigen Matrix enthalten. IBSA ist auch Partnerschaften mit dem IOR eingegangen, um natürliche Moleküle zu untersuchen, die für Anti-Aging-Therapien und die Produktion spezifischer Nano-Antikörper bestimmt sind.
Seinerseits hat Helsinn wichtige Projekte auf dem Gebiet der „Target Therapies“ im Bereich der Onkologie gestartet und neue Moleküle untersucht, die in der Lage sind, die Wachstumsfaktoren zu blockieren, die bestimmte Krebsarten (insbesondere das Cholangiokarzinom, d. h. den Tumor der Gallengänge) begünstigen. Die Verwendung einer dieser Moleküle (Infigratinib) wurde letztes Jahr von der US-amerikanischen Food and Drug Administration zugelassen.
Schliesslich ist Humabs BioMed (Gruppe Vir Biotechnology) in Bellinzona sehr aktiv im Bereich der monoklonalen Antikörper und hat eines der Moleküle ausgewählt, das dann in den letzten Monaten in Produktion gegangen ist, um Covid einzudämmen.

«Der Tessiner Pharmasektor ist eine wichtige Präsenz - bestätigt Franco Cavalli, Gründer des Onkologischen Instituts der italienischen Schweiz (IOSI - Istituto oncologico della Svizzera italiana) und des IOR. - In der Vergangenheit litt er unter der Tatsache, dass es im Tessin keine biomedizinische Forschung gab: Dies erschwerte es auch dem Privatsektor, eine echte Innovationskraft zu entwickeln. Heute hingegen hat sich vieles geändert, und es kommt bereits vor, dass beispielsweise Forscher des IOR oder des IRB in die Industrie wechseln und dort ihr Wissen weitergeben. Übrigens ist dies in der Vergangenheit auch Kantonen passiert, die eine viel „ältere“ Erfahrung als wir haben, wie zum Beispiel Basel. Auch dort entstand vor der grossen Entwicklung der Privatindustrie ein fruchtbares und wichtiges Substrat in Verbindung mit der Universität und anderen Instituten. Ich freue mich sehr, dass dies alles auch im Tessin stattfindet: Für uns ergeben sich Möglichkeiten einer sehr breiten Zusammenarbeit».
-----
Auf dem Foto oben (© Ti-Press / Pablo Gianinazzi), der Präsident von Farma Industria Ticino, Giorgio Calderari)