künstliche intelligenz

Stille, Roboter, Nano-Drohnen, internationales Ambiente:
Willkommen im IDSIA...

Freitag, 19. November 2021 ca. 6 Minuten lesen In lingua italiana

Ein Tag im grossen Openspace des Dalle-Molle-Forschungsinstituts für Künstliche Intelligenz. Modernste Forschung in Verbindung mit den Unternehmen. 77% der Mitarbeiter sind jünger als 40 Jahre
von Elisa Buson

Gold, Diamanten, Trüffel: Kostbare Dinge sind den Blicken verborgen. Etwa so wie das Dalle-Molle-Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz USI-SUPSI (IDSIA), das erst vor Kurzem in den neuen Campus Est in Lugano im Stadtteil Viganello umgezogen ist. Es ist nicht leicht zu finden, auch weil die Beschilderung des Gebäudes noch nicht fertig ist, aber es lohnt sich, sich in einem Orientierungslauf zu versuchen, um den Ort zu besuchen, an dem die Zukunft dank Algorithmen gezeichnet wird, die Industrie, Gesundheit, Bildung und Hilfeleistungen gegenüber Personen verändern werden.

Sektor C, Badge für Besucher, Aufzug. Im dritten Stock öffnen sich die Türen zu einem grossen und sehr leisen Openspace. Dutzende Personen arbeiten in ehrfürchtigem Schweigen vor ihren Monitoren. Spezielle Räume, die durch schallisolierendes Glas isoliert sind, ermöglichen Besprechungen, Telefonate und Videoanrufe zu führen, ohne dass es zu Störungen kommt. Und für Besucher ist der Effekt, der eines Aquariums. Darin arbeiten 67 Forscher von SUPSI, während die Kollegen von USI in einem anderen Gebäude des Campus untergebracht sind. «Aber normalerweise sind nicht alle Forscher anwesend, weil wir bei IDSIA seit jeher Flexibilität und Telearbeit bevorzugen: Das Erreichen der Ziele ist wichtiger als blosse physische Anwesenheit» - sagt Direktor Andrea Rizzoli, einer der wenigen, die in einem herkömmlichen Büro sitzen, auch wenn die Tür immer offen steht. 

Bei einem Rundgang begegnen wir Forschern aus der ganzen Welt: Einige kommen aus China und andere aus den USA, Japan oder dem Nahen Osten. Nur wenige Frauen: Nur 18 von 121, wie man es auch von anderen techisch-wissenschaftlichen Fakultäten kennt. Auf der anderen Seite mangelt es jedoch nicht an jungen Mitarbeitern unter 40. «Sie sind 77% unserer Belegschaft - unterstreicht Rizzoli stolz. - Wir setzen viel auf sie, denn unser Fach ähnelt in etwa dem Fussball: Die Jugend ist frischer und hat bessere Ideen, während diejenigen, die ein gewisses Alter überschreiten, Trainer werden». Gemeinsam mit ihm auf der Bank befindet sich auch Marco Zaffalon, wissenschaftlicher Direktor von IDSIA, der die auf dem Spielfeld eingesetzte „Aufstellung“ vorstellt: «Künstliche Intelligenz ist ein sehr weit gefasster Bereich - erklärt er. - Aus diesem Grund haben wir Forscher mit unterschiedlichsten Fähigkeiten: Vom Maschinellen Lernen für neuronale Netzwerke bis zur Statistik, von Computer Vision bis zur mobilen Robotik, von Mikrocomputern bis zur künstlichen Intelligenz für den industriellen und biomedizinischen Bereich».

Im IDSIA mangelt es nicht an futuristisch-wissenschaftlichen Studien wie etwa zum künstlichen Tastsinn von Robotern oder zu Nano-Drohnen, selbstfliegende Luftfahrzeug, klein wie Insekten, die in verschiedensten Bereichen eingesetzt werden können, wie z. B. bei der Inspektion von Abwasserkanälen oder bei Rettungseinsätzen in Notfällen. Aber wenn die Forschung im Institut zu 50% aus Grundlagenforschung besteht, die allein von Neugier und Wissenshunger geleitet wird, so sind die restlichen 50% angewandte Forschung mit einem wachsamen Auge auf Industrie und Markt. Auch aus diesem Grund landen viele junge Leute hier. «Ich bin Anfang 2015, nach einem Postdoktorand am Polytechnikum Mailand und einem Jahr in einem Unternehmen zu IDSIA gekommen, weil ich eine Möglichkeit im akademischen Bereich gesucht habe, die jedoch eine starke Anwendungskomponente beibehält - erzählt Laura Azzimonti, die heute die Doppelrolle als Dozentin und Forschungsleiterin innehat. - Ich beschäftige mich sowohl mit theoretischer Forschung, bei der neue Methoden des Maschinellen Lernens entwickelt werden, als auch mit angewandter Forschung mit Industrie- und Spitalpartner, als Brücke zwischen diesen und der akademischen Welt». Eine besondere Einstellung, die die gesamte Arbeit des Dalle-Molle-Instituts durchdringt und die eine hybride Denkweise erfordert, auf halbem Weg zwischen der starren der akademischen Welt und der pragmatischeren der Geschäftswelt.
Letzendlich ist dies der Schlüssel zum Erfolg, der im Laufe der Zeit zu vielen fruchtbaren Kollaborationen mit Partnern wie Mastercard, Roche, Novartis, UBS, aber auch viele andere kleine lokale Unternehmen, die in der künstlichen Intelligenz einen Antrieb zum Wachstum gefunden haben. Wie im Fall des Unternehmens Delvitech in Mendrisio, das auf den Verkauf von optischen Inspektionssystemen für bestückte elektronische Leiterplatten spezialisiert ist. Gemeinsam mit diesem Unternehmen «entwickeln wir Algorithmen, die in der Lage sind, durch die Analyse ihrer hochauflösenden Bilder automatisch Informationen zu den elektronischen Leiterplatten zu gewinnen: Auf diese Weise identifiziert das System den Typ des auf dem Bild abgebildeten elektronischen Bauteils, seine Abmessungen, das Material und das mögliche Vorhandensein von Defekten» - erklärt die Forscherin Maria Camila Alvarez Trivino, die direkt aus Kolumbien nach Lugano kam. 

Im Openspace wird hart gearbeitet, manchmal auch nachts, «besonders wenn wichtige Abgabetermine anstehen und alle Experimente schnell abgeschlossen werden müssen» merkt Rizzoli an. Trotz der Stille und der fast schwebenden Atmosphäre, die hier herrscht, ist die Umgebung bewusst ungezwungen und kooperativ. «Ich erinnere mich daran, dass ich in meinen ersten Monaten im IDSIA stark von der Positivität, Freundlichkeit, Neugier und der Begeisterung meiner Kollegen beeindruckt war: Diese friedliche und kooperative Atmosphäre schafft ein starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit und ermutigt alle, ihr Bestes zu geben» - fügt Azzimonti hinzu.

Zwischen einem Experiment und einem Videoanruf gibt es immer die Möglichkeit, sich in Freizeiträumen zusammenzufinden: Es wird gemeinsam in der Küche gegessen und gibt sogar die Möglichkeit, sich beim Tischfussball zu entspannen, «auch wenn es ein bisschen laut ist: Vielleicht ersetzen wir ihn durch etwas Ruhigeres, vielleicht einen Billardtisch» - schmunzelt Rizzoli. Zwischen einem Stoss und einem Loch kann man den durch die viele Arbeit und auch einige Scherereien, «hauptsächlich im Zusammenhang mit Bürokratie», entstandene Stress abschütteln - so der Direktor. Papierkram und Formalitäten sind weiterhin eine Belastung für ein Institut, dass 80% seiner Kosten durch wettbewerbsfähige Mittelbeschaffung, Teilnahme an Ausschreibungen deckt oder indem es das Vertrauen der Unternehmen am Markt gewinnt. «Damit die Dinge gut funktionieren – betont Zaffalon - kann man nicht einfach improvisieren: Man braucht Erfahrung und eine breit gefächerte Kultur, die es allen ermöglicht, Ihren Beitrag zu leisten, um das Budget nach Hause zu tragen»

Ziel für die Zukunft ist es, genau diese Fähigkeit durch den richtigen Generationswechsel beizubehalten. «Die wahre Herausforderung wird darin bestehen, qualifizierte Leute zu finden, die in der Lage sind, das fortzusetzen, was in 40 Jahren Geschichte des IDSIA getan wurde» - räumt Rizzoli ein. «Zwischen selbstfahrenden Autos, Lernrobotern, Systemen künstlicher Intelligenz, die Medikamente entwickeln und so weiter, erwartet uns ein sehr interessantes Jahrhundert - fügt Zaffalon hinzu. - Es wird von entscheidender Bedeutung sein, unser Institut wachsen zu lassen, um diesen Wandel der Gesellschaft zu begleiten, nicht nur aus technologischer, sondern auch aus sozialer, politischer und wirtschaftlicher Sicht».

Schau in die Galerie Schau in die Galerie Foto von Marian Duven Schau in die Galerie (18 foto)