onkologie

Weshalb ein nationales Krebsregister so wichtig ist

Mittwoch, 26. Februar 2020 ca. 7 Minuten lesen In lingua italiana

Es spricht Giorgio Noseda, der sich lange Zeit für die Einrichtung eines offiziellen Verzeichnisses der neuen Krebsfälle in der Schweiz eingesetzt hat. Als Zeichen der Anerkennung hat ihm die Universität Zürich einen neuen Lehrstuhl gewidmet
von Paolo Rossi Castelli

Seit dem 1. Januar dieses Jahres hat die Schweiz endlich ein richtiges nationales Krebsregister, pädiatrische Tumoren inbegriffen: Ein wesentliches Tool für das Management und die Planung der Krebsbekämpfung. Zum Grossteil ist dies Giorgio Nosedas Verdienst, der sich lange Zeit zugunsten dieses Ergebnisses eingesetzt hat. Als Zeichen der Anerkennung lässt ihm die Universität Zürich eine ganz besondere Ehre zuteil werden: Die Einrichtung einer neuen, nach ihm benannten Professur, die in den kommenden Monaten einem Professor zugewiesen wird, der mit der Pflege des Registers beauftragt und sich mit der Epidemiologie der Tumoren befassen wird – und somit ein Versäumnis aus der Welt schafft, durch das die Schweiz im Vergleich zu vielen anderen europäischen Ländern einmal einen hinteren Platz einnimmt. Die «Professur Giorgio Noseda» erhält von der Schweizerischen Krebsliga eine robuste Finanzierung in Höhe von 5 Millionen Franken.

Seit 2007 wird versucht, das Krebsregister auf systematische und organisierte Weise einzurichten, und diesbezüglich wurde in jenem Jahr das NICER (das Nationale Institut für Krebsepidemiologie und -Registrierung) an der Universität Zürich ins Leben gerufen. Zunächst machte jeder Kanton sein eigenes Ding (Genf richtete 1969 ein eigenes Register ein, gefolgt von Neuenburg und Waadt im Jahr 1974, und so weiter). «Alle Kantone wurden vom NICER aufgefordert, ein Register zu eröffnen, was nach und nach von 20 Kantonen umgesetzt wurde – erzählt Noseda, der erste Vorsitzende des Instituts. – 2018 jedoch fehlten noch Schwyz, Solothurn und Schaffhausen. Mit dem neuen Gesetz von 2016 wurde dann aus der Aufforderung eine Verpflichtung, und seit dem 1. Januar 2020 müssen alle Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und Krankenhäuser die Krebskranken registrieren. Und endlich nahm das Register wirklich Fahrt auf. Aber damit nicht genug: Früher wurden alle 5 Jahre, gezwungenermassen unvollständige Berichte erstellt (der letzte stammt von 2015). Ab jetzt erscheinen sie jährlich in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Statistik.»

Wie ist die Lage auch für die anderen Krankheiten?

«Im Bereich der nationalen Register glänzt die Schweiz nicht gerade, dabei sind sie enorm wichtig – antwortet Noseda. – Für die Herz-Gefäss-Erkrankungen gibt es ebenfalls an der Universität Zürich ein Register für akute Infarkte (AMIS-Plus), aber nicht alle Krankenhäuser übermitteln ihre Daten, weil es nicht verpflichtend ist. Dann gibt es noch ein Multiple Sklerose Register, aber ebenfalls unvollständig. Mit dem nationalen Krebsregister werden wir auch für andere Krankheiten zum Wegbereiter.»

Wie viele Menschen erkranken in der Schweiz an Krebs?

«Nach den (letzten verfügbaren) Daten für den Zeitraum 2010-2015 werden in unserem Land jährlich mehr als 40.000 neue Tumorfälle diagnostiziert und rund 16.700 Menschen sterben an einer onkologischen Krankheit. Seit Mitte der 90er Jahre ist der Anteil der neuen Fälle unter den Frauen relativ stabil geblieben, bei den Männern hingegen nahm er zunächst zu und ist dann gesunken. Die Sterblichkeit ist auf jeden Fall rückläufig. Der Prostatakrebs ist bei den Männern nach wie vor die häufigste Form, bei den Frauen ist es der Brustkrebs. Um die klinischen Resultate immer weiter zu verbessern, ist die Früherkennung ganz wichtig, ebenso wie eine systematische Aktivierung der wissenschaftlichen Bewertung der Behandlungen. Diesbezüglich kann das Krebsregister sehr hilfreich sein.»

Die Ärzte sind jetzt verpflichtet, die Daten an das Register weiterzuleiten, aber können sich die Patienten aus Datenschutzgründen widersetzen?

«Selbstverständlich ist es gesetzlich vorgesehen, dass die Informationen auf anonyme Weise (ohne Namen und andere sensible Daten) übermittelt werden und dass die Patienten ihre Einwilligung erteilen. Man erklärt ihnen, dass die Angaben über ihre Krankheit ausschliesslich der Verbesserung der Behandlung, der Diagnose und der Prävention dienen. Die Erfahrung lehrt uns, dass niemand, oder fast niemand, ablehnt.»

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Sie sind Kardiologe, aber auch Onkologe …

«Ich bin ein Kardiologe, der sich mehr mit Onkologie befasst hat – möchte man sagen ... – Und tatsächlich war mein beruflicher Werdegang untypisch. Ich habe von ’57 bis ’63 in Zürich studiert und mich vor allem auf die Neurologie fokussiert; dann, von ’65 bis ’69, habe ich mich der Kardiologie gewidmet. Es waren die ersten, bahnbrechenden, für mich sehr faszinierenden Zeiten der Koronarangiographie und der Interventionskardiologie (welche die heute weit verbreiteten Systeme zur Weitung der Arterien durch das Einsetzen von Stents und anderer ähnlicher Geräte eingeführt hat, ohne direkt am Herzen operieren zu müssen). Ich bekam ein Stipendium für die USA, in La Jolla von Professor Braunwald: Ein grandioser Innovator. Dann aber führte mich das Schicksal nach Bern (Professor Guido Riva, Chefarzt für innere Medizin, holte mich als Oberarzt dorthin). Und dann war da die Geschichte mit dem Krankenhaus von Mendrisio, die ich auch in meinem Buch erzähle, das ich gemeinsam mit Giulia Fretta, einer von mir hochgeschätzten Journalisten, geschrieben habe.»

Erwähnen wir diese Geschichte kurz ...

«1974 hatte der Chefarzt für innere Medizin am alten Krankenhaus von Mendrisio – Claudio Capelli – das Ruhestandsalter erreicht, aber die Ausschreibung für seinen Nachfolger verlief ins Leere. Also wurde eine zweite Ausschreibung angesetzt, die beinahe ebenso verlaufen wäre. Da bekannt war, dass ich gerne ins Tessin zurückkehren würde, rief man mich also an und forderte mich zur Teilnahme auf. Darüber habe ich auch mit meinem Kollegen Michele Reiner gesprochen: „Und wenn wir gemeinsam nach Mendrisio gehen würden?“. Also haben wir uns beworben. Und tatsächlich waren wir die einzigen Bewerber ... Von Bern aus haben wir uns mit dem Auto auf den Weg gemacht, am letzten möglichen Tag, um vor der Prüfungskommission vorzusprechen, aber das Kühlerwasser wurde in meinem alten Lancia oft zu heiss. Wir mussten stehenbleiben und den Motor abkühlen lassen ... Um 18 Uhr, dem letzten Termin für die Vorstellung in Mendrisio, waren wir noch in Biasca (damals gab es die Autobahn noch nicht). Wir riefen aus einer Telefonzelle an, um mitzuteilen: „Wir kehren zurück nach Bern“. „Nein, fahren Sie langsam, aber kommen Sie!“ – lautete die Antwort. Wir kamen um 21 Uhr an und man erwartete uns bereits, unter den Arkaden ... Wir assen zu Abend, und dann wurden wir beide zum Chefarzt ernannt. Wir akzeptierten, aber unter einer Bedingung: Der Bau eines neuen Krankenhauses, denn der Zustand der medizinischen Einrichtungen in Mendrisio war absolut degradiert. Man hörte auf uns und ich blieb schliesslich bis 2001, als ich zum Civico in Lugano wechselte.»

Sie waren auch in der Politik.

«Ja, wenige Monate nach meiner Ankunft in Mendrisio, 1975, trat ich in den Grossrat ein. Besonders stolz bin ich auf den 17. Dezember ’82, als ich Redner über das neue Krankenhausgesetz war, das zur Gründung des EOC führte. Mit Ausnahme des Civico in Lugano (das der Stadt gehörte) waren früher alle Krankenhäuser in Besitz ruinierter Stiftungen mit Gesamtschulden in Höhe von 180-200 Millionen CHF. Eine Umstrukturierung und ein Neustart waren nötig. Es war eine richtige Revolution, absolut positiv.»

Auf Ihrem langen Lebenslauf steht auch die Gründung des Forschungsinstituts für Biomedizin in Bellinzona aus dem Nichts. Ein weiteres schwieriges Unterfangen ...

«1996 wurde die Università della Svizzera italiana mit den Fakultäten Architektur, Wirtschaft und Kommunikationswissenschaften eröffnet. Allerdings fehlte eine Fakultät der „harten“ Wissenschaften ... Im Bereich der Biomedizin musste etwas getan werden. Auch gemeinsam mit Franco Cavalli haben wir viel dafür getan, um Finanzmittel und den richtigen Standort zu finden, bis uns der Bürgermeister von Bellinzona, Paolo Agustoni, das ehemalige Swisscom-Gebäude vorschlug. Der Kanton, die Eidgenossenschaft und die Horten Stiftung haben Finanzmittel in Höhe von 3 Millionen Franken bereitgestellt, und so konnten wir 15 Forscher gewinnen – darunter den derzeitigen Leiter Antonio Lanzavecchia, die vom Basel Institute for Immunology kamen, das La Roche dabei war, zu schliessen (obwohl es Durchgangsstation von drei Nobelpreisträgern war!). Das IRB hat seine Tätigkeit im Jahr 2000 aufgenommen. Heute, zwanzig Jahre später, hat das international renommierte IRB 130 Mitarbeiter und ein 20-Millionen-Budget. Nicht schlecht, finde ich ...»

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