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Künstliche Intelligenz für die «Entdeckung» der Arzneimittel mit Wirkung gegen das Coronavirus

Mittwoch, 25. November 2020 ca. 5 Minuten lesen In lingua italiana

Projekt REDAC unter der Leitung von Vittorio Limongelli, Professor für Pharmakologie. Im Fokus bereits für andere Krankheiten zugelassene Arzneimittel und Integratoren, die auch Covid stoppen könnten
von Paola Scaccabarozzi

Wissenschaftler aus aller Welt arbeiten daran, wirksame Behandlungen gegen Covid-19 zu entdecken. Professor Vittorio Limongelli, Dozent für Pharmakologie an der Fakultät für biomedizinische Wissenschaften der USI ist Gruppenleiter eines ganz besonderen Projekts, das künstliche Intelligenz mit pharmakologischen Kompetenzen zusammenbringt. Das Projekt heisst REDAC (Repositioned Drugs Against Covid-19) und verfolgt das Ziel, den Wirkungsmechanismus über 2.500, weltweit vertriebener Moleküle zu untersuchen, um die zur Behandlung von Covid besonders geeigneten zu finden. 

Wie wurden diese Moleküle ausgewählt und worum handelt es sich genau? 

«Es handelt sich um Arzneimittel und Integratoren, – erklärt Limongelli – die weltweit bereits in verschiedenen Ländern existieren. Sie gelten als sicher, da sie von den bedeutendsten Arzneimittelbehörden unseres Planeten zertifiziert und bereits seit langem auf dem Markt sind. Es sind Arzneimittel zur Behandlung verschiedener, banaler oder schwerer Erkrankungen, oder Mittel wie Vitamine und Integratoren, die wir zu unserer Ernährung hinzufügen, um eine etwaige Mangelversorgung zu kompensieren und einen guten Gesundheitszustand zu garantieren. Es handelt sich folglich in keinem Fall um Moleküle, die speziell zur Behandlung von Covid, sondern für andere Zwecke entwickelt wurden, die sich jedoch auch zur Bekämpfung dieses Virus und allgemein zur Vorbeugung seiner zahlreichen Komplikationen als hilfreich erweisen könnten».

Wie geht diese Studie im Detail vor? 

«Es wurden fünf wichtige Target-Moleküle entdeckt: Also fünf Proteine, welche die Interaktionsmechanismen des Virus mit unserem Organismus regeln. Ziel ist es, durch die Verwendung hoch entwickelter Algorithmen zu verstehen, welche dieser 2.500 Moleküle mindestens eines dieser Proteine als Target haben und, noch besser, welche Arzneimittel zur Interaktion mit mehreren Target-Proteinen (Multitarget-Moleküle) fähig sind. Auf diese Weise werden bereits vertriebene Arzneimittel und Integratoren ausgewählt, die sich als wirksam gegen Covid erweisen können».

Welche sind diese fünf Target-Proteine? 

«Ich versuche, sie schematisch zu definieren:

  • Angiotensin-Converting Enzyme 2 (ACE2): Ein Enzym, das von unserem Organismus gebildet wird. Es ist im Wesentlichen die „Pforte“, durch die das Virus in die Zellen gelangt. Wenn es gelingt, die Interaktion zwischen ACE2 und dem viralen Protein Spike (das Protein, welches das Coronavirus umhüllt und die typische Kronenform bedingt) zu hemmen, dann könnte dies ein erfolgreicher Weg zur Bekämpfung von Covid und seiner Komplikationen sein. Allerdings ist dieses Protein leider mit Risiken verbunden, die auch sehr schwerwiegend sein können: Vom Bluthochdruck bis zum Herzinfarkt. Unsere Gruppe versucht also, das „Hindernis zu umgehen“ und die Moleküle herauszufinden, die in der Lage sind, die Interaktion des ACE2 mit dem Virus zu hemmen, nicht aber seine physiologische enzymatische Aktivität. 
  • Main Protease (Mpro): Ein für die Replikation des Virus sehr wichtiges Protein. Es zu blockieren bedeutet, zu verhindern, dass sich das Virus mit all seinen Folgen ausbreitet. Es handelt sich um ein bei anderen Viren bereits bekanntes Target-Molekül, das in der Vergangenheit zur Identifizierung verschiedener antiviraler Komposita geführt hat.
  • RNA-dependant RNA polymerase (RdRp): Es ist das Schlüsselenzym der Replikationsfähigkeit des (für die Covid-19 Krankheit verantwortlichen) SARS-CoV-2 Virus, d.h. der Produktion weiterer RNA aus einer RNA-Vorlage (die RNA ist das Molekül, das die genetischen Informationen der DNA in Proteine umwandelt, Anm. d. Red.). Es gehört zu den Zielen, mit denen sich die Anti-Covid-Forschung am intensivsten befasst. Und tatsächlich ist das einzige, bis heute von der amerikanischen Arzneimittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) für Covid zugelassene Arzneimittel „Remdesivir“, das durch die Hemmung dieses Enzyms wirkt, auch wenn es bei diesem Molekül in Zusammenhang mit seiner korrekten Nutzung gegen das SARS-CoV-2 Virus verschiedene Streitpunkte gibt».
  • 2’-O-methyltransferase (2’-O-MTase): Eine Art vom Virus angewandter «Trick», um die Abwehrmechanismen des Wirts in die Irre zu führen. Dieses Enzym kommt in SARS-CoV-2 vor und ist in der Lage, ein «Teilstück des Moleküls» (in der Fachsprache: eine Methylgruppe) an das Ende der viralen RNA zu übertragen und somit unser Immunsystem zu täuschen. 
  • Mitochondrial Assembly 1 (MAS1): Ein Rezeptor, der zu den GPCRs gehört, der grössten Familie Membranrezeptoren, die das Target-Molekül von mehr als einem Drittel der sich derzeit in Handel befindlichen Arzneimittel darstellt (von den Antihistaminika über die Antiarrhythmika bis hin zu Opiaten und Anxiolytika/Antidepressiva). MAS1 spielt in der fortgeschrittenen Phase der Krankheit eine wichtige Rolle, wenn sich der Befund des Patienten durch das hyperentzündliche Syndrom und den sogenannten Zytokinsturm verschlechtert hat».

Haben Sie bereits interessante Moleküle gefunden?

«Ja, unsere Studie hat einige Arzneimittel gefunden, die als mögliche RdRp Hemmer in Frage kommen. Eine andere Arzneimittelklasse, die wir entdeckt haben, sind die Corticosteroide (Cortison und Derivate) und einige Nahrungsmittel-Integratoren. Allerdings beruhen unsere Ergebnisse auf Simulationen, die durch „virtuelle Mikroskope“ am Computer vorgenommen wurden. Wir bemühen uns, die nötigen Gelder zu bekommen, um die antivirale Aktivität der ausgewählten Arzneimittel in möglichst kurzer Zeit auch am Patienten zu testen».

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