LUGANO

«Innovation? Sie entsteht
in der Gesellschaft, in der Politk
und nicht nur im Labor»

Samstag, 9. April 2022 ca. 5 Minuten lesen In lingua italiana

In dem Palazzo dei Congressi (Kongresshalle) das von der SUSPI veranstaltete Forum, das auch eine Auswahl der laufenden Projekte zeigte. Anwesend waren Simonetta Sommaruga und der Präsident der Akademien der Wissenschaften Schweiz Marcel Tanner
von Valeria Camia

Sie verfügt über reichlich Wasserkraft, kann auf Photovoltaik und auch auf Windenergie zählen. Und damit nicht genug. Sie verfügt über Milliarden von Investitionen, die für die ökologische Wende bereitgestellt werden, um sowohl die Energieabhängigkeit vom Ausland als auch die CO2-Emissionen zu reduzieren, um erneuerbare Energien zu fördern. Wir sprechen von der Schweiz, wo die Bundesbehörden knap 20 Milliarden Franken für die Förderung von Nachhaltigkeit und sauberen Energiequellen zur Verfügung gestellt haben. Daran erinnerte Simonetta Sommaruga, Bundesrätin und Leiterin des eidgenössischen Deparements für Umwelt, Transport, Energie und Kommunikation, in ihrer Einführungsrede zur dritten Ausgabe des Innovationsforums der italienischen Schweiz, veranstaltet von der Fachhochschule der italienischen Schweiz (SUPSI, Scuola Universitaria Professionale della Svizzera Italiana), das am 8. April in dem Palazzo dei Congressi in Lugano stattfand. Das in dritter Ausgabe stattgefundene Forum bot Gelegenheit für Begegnungen zwischen Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, die auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene tätig sind. Neben diesen Momenten des Dialogs wurde im Foyer des Palazzo dei Congressi auch eine Auswahl von ungefähr 700 Projekten ausgestellt, die SUPSI jährlich im Bereich der angewandten Forschung und der lokalen Dienstleistungen durchführt.

Aber zurück zum Thema saubere Energie. Simonetta Sommaruga präzisierte, wie Nachhaltigkeit erreicht werden kann, wenn sie mit Innovation kombiniert wird und so in die Unternehmenskultur einfliesst, indem sie die Zusammenarbeit zwischen Stakeholders und der Welt der Forschung unter Einbeziehung von Start-ups, Behörden und Politik fördert; nicht zuletzt durch interdisziplinäre Arbeit zur Aus- und Weiterbildung der neuen Generationen in Nachhaltigkeit. Und, so Sommaruga weiter, «der Kanton Tessin ist reich an hochmodernen konzeptionellen Synergien zwischen verschiedenen Partnern, Projekten und Disziplinen. Aus dieser Sicht hat auch die SUPSI im Laufe der Zeit eine gute Fähigkeit entwickelt, sich zu vernetzen».

Kurz gesagt kann diese „we can attitude“ (ein von Sommaruga zitierter amerikanischer Ausdruck, den wir mit „Zielstrebigkeit“ übersetzen könnten) für Innovation nicht abgeschottet erfolgen, weder international noch sektoral. Einerseits erinnerte auch der Tessiner Staatsratspräsident Manuele Bertoli, Redner des Forums, daran, dass die Massnahmen wichtig sind, die es der Schweiz ermöglichen, im Zentrum der internationalen Innovation zu bleiben , und dazu ist eine klare Regelung der Beziehungen zwischen der Schweiz und den Ländern der Europäischen Union im Bereich der Forschung wünschenswert (der Ausschluss unseres Landes aus dem Programm Horizon 2024 hatte und hat immer noch negative Auswirkungen auf die akademische Welt der Schweiz). Andererseits ist es entscheidend, dass die wissenschaftliche Forschung ihrer Rolle gerecht wird, die - um es klar zu sagen - weder darin besteht, sich von der Gesellschaft abzuschotten, noch an die Stelle der Politik zu treten. 

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Auch Marcel Tanner, Professor für Epidemiologie und Präsident der Akademien der Wissenschaften Schweiz (sowie Gast der Gesprächsrunde, die innerhalb des Forums stattfand), verfolgt diese Linie: Nachhaltigkeit und Innovation können nur durch eine starke Verbindung zwischen Wissenschaft, Politik und der Welt der Zivilgesellschaft erreicht werden. Das ist kein einfaches Gleichgewicht. 

Wissenschaftliche Studien zum Beispiel - erklärte Tanner gegenüber Ticino Scienza - werden immer noch häufig von der Spannung einzelner Forscher und Institute beeinflusst, die alle darauf abzielen, einen möglichst hohen Impact Factor zu erreichen (wir erinnern daran, dass der Impact Factor eine Art Punktzahl ist, die beschreibt, wie oft eine Arbeit von anderen internationalen Forschern zitiert wird und welche Auswirkung sie daher auf die wissenschaftliche Gemeinschaft hat) oder mitunter auch persönlichen Ambitionen zu folgen. Dies geht zu Lasten von kollaborativen Projekten und der interdisziplinären Natur der Projekte sowie der zu lösenden konkreten Probleme. Der Mangel an Verbindung mit dem Rest der Gesellschaft und den Vorteilen der Innovation kann somit zu einem Hinderniss für die Innovation selbst werden, mit konkreten negativen Folgen für die Anwendung einiger wissenschaftlicher Entdeckungen. 

«Nachhaltigkeit und Innovation - wiederholt Tanner - erfordern die Zusammenarbeit zwischen Politik, Wissenschaft und Gesellschaft, drei Akteure, die im ständigen Dialog stehen müssen. Betrachten wir sie als drei Komponenten eines „Antriebsriemens“. Die Wissenschaft muss sich nicht damit befassen, vorzuschreiben, was zu tun ist und damit die Politiker zu ersetzen, aber es ist sicherlich von grundlegender Bedeutung, dass sie bedeutende Hinweise für die Politik erbringt. Das haben wir während der Pandemiekrise gut gesehen. Wenn der Wissenschaftler an die Stelle des politischen Entscheidungsträgers tritt, verliert er an Glaubwürdigkeit. «Die Wissenschaft - schliesst Tanner ab - hat die Aufgabe, zu klären, was wir über Phänomene (wie etwa das Covid-19 verursachende Virus) wissen und was wir nicht wissen, und ist daher dazu aufgerufen, Optionen für politisches Handeln vorzuschlagen. Um bedeutende Hinweise für die Politik zu geben, müssen sich die wissenschaftliche Forschung und die Entdeckungen der Wissenschaft, gleichzeitig immer darüber im klaren sein, wer die Begünstigten sind: Mit anderen Worten, die wissenschaftlichen Forscher müssen sich darüber im klaren sein, wie die Innovationen die Gesellschaft „erreichen“ können. Nur so kann die Nachhaltigkeit in verschiedenen Kontexten gewährleistet werden». 
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(Auf dem Foto oben, die Tessiner Bundesrätin Simonetta Sommaruga während ihrer Rede beim Innovationsforum der italienischen Schweiz)