So übersetzen Sie Wissenschaft

Ein „junges“ Filmfestival als Tor zur magischen Welt der Wissenschaft

Donnerstag, 13. Juli 2023 ca. 9 Minuten lesen In lingua italiana

von Valeria Camia

Filme zählen zu den wirkungsvollsten Mitteln, um einem Laienpublikum „Wissenschaft zu vermitteln“ – eine Tatsache, die dazu beigetragen hat, dass die Nachfrage nach wissenschaftlichen Filmen in letzter Zeit stark gestiegen ist. Um dieser neuen Nachfrage nachzukommen, haben Hochschulen und wissenschaftliche Institute beschlossen, Kurse für wissenschaftliche Filmproduktion anzubieten. Darüber hinaus sind immer mehr Wissenschaftskommunikatoren und -journalisten zu Gast in den akademischen Hörsälen. Diese Entwicklung ist auch in der Schweiz zu beobachten, wo seit einigen Jahren ein Filmfestival zum Thema Wissenschaft veranstaltet wird: Die Rede ist vom Global Science Film Festival, das dieses Jahr nicht nur in Zürich und Basel, sondern auch in der italienischen Schweiz stattfand.
Wer also im vergangenen April im Tessin war, hatte die Gelegenheit, im Kino Lux in Massagno der Vorführung professioneller Spiel- und Kurzfilme mit wissenschaftlichem Inhalt sowie einer Reihe von Gesprächsrunden mit Regisseuren, Wissenschaftlern und Forschern beizuwohnen. Eine (wichtige) Besonderheit des Festivals bestand darin, dass der Projektleiter, Aidan Farabow, ein junger Student der Franklin University Switzerland (FUS) war, der die Veranstaltung zusammen mit Kommilitonen koordinierte. 

Das Foto vergrössern Das Foto vergrössern Das Foto vergrössern

Kurz gesagt, es gelang sieben jungen Menschen Anfang zwanzig, die Tessiner Gemeinschaft mit Geschichten aus der ganzen Welt zum Thema Nachhaltigkeit zu begeistern, indem sie einen Raum – nämlich das Festival – schufen, in dem Menschen zusammenkamen, um sich mit ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Themen auseinanderzusetzen. Wie nicht anders zu erwarten ist, wenn es um Wissenschaft geht, hat all dies nichts mit „Magie“ zu tun. Es gab jedoch eine wichtige „Präsenz“: Alle an der Durchführung des Festivals beteiligten jungen Menschen besuchten einen von der Journalistin Elettra Fiumi angebotenen Kurs für wissenschaftliche Filmproduktion. Die Organisation der Luganeser Ausgabe des Global Science Film Festival wurde erst unter der Leitung von Fiumi möglich, die unter anderem als Regisseurin und Produzentin von Dokumentarfilmen tätig ist, in denen es vorwiegend um medizinisch-wissenschaftliche Entdeckungen und technologische Innovationen geht.
Die Arbeit der Italo-Amerikanerin, in deren Adern Künstlerblut fliesst (ihr Vater, Fabrizio Fiumi, war Mitbegründer der radikalen Architektengruppe 9999), bewegt sich im Spannungsfeld zwischen dem angelsächsischen analytischen Denken, bei dem Themen bis ins Detail beleuchtet und vertieft werden, und einer „synthetischen“ bzw. europäischen Herangehensweise an Probleme, bei der Fragestellungen stets aus einem ganzheitlichen Blickwinkel betrachtet werden. Elettra Fiumi ist sowohl in Lugano (wo sie die
Fiumi Studios gegründet hat und an der Franklin University Switzerland lehrt) als auch in „der ganzen Welt“ zu Hause und stets an vorderster Front dabei, wenn es darum geht, Wissenschaftsgeschichten zu erzählen. So tragen zum Beispiel die Aufnahmen einer innovativen Bauchspeicheldrüsenoperation im Ospedale Civico in Lugano ihre Handschrift («eigentlich hatte ich geplant, nur ein paar Stunden mit den Ärzten zu verbringen, doch letztendlich wurden acht Stunden daraus»).

Wir haben uns mit Fiumi getroffen, um sie zu bitten, uns von den Herausforderungen und „Freuden“ der heutigen Wissenschaftskommunikation zu erzählen. Es handelt sich um Themen, die sich nicht so einfach in kurzer Zeit abhandeln lassen... Vielleicht ist auch das der Grund, warum das Gespräch mit der Regisseurin weit zurück in der Vergangenheit beginnt. «Ich habe an der Columbia University Journalismus studiert und wagte einen meiner ersten Schritte in die Welt der Kommunikation, indem ich als Faktencheckerin arbeitete, d. h. als Fachkraft, die für die Überprüfung der Informationen und Inhalte von Artikeln verantwortlich ist, die in Zeitschriften und Zeitungen veröffentlicht werden sollen», erklärt Elettra Fiumi. 

Welche Rolle spielt der Faktencheck heute bei der Produktion Ihrer wissenschaftlichen Dokumentarfilme?

«Ich sammle möglichst viele Informationen über das Thema des zu realisierenden Dokumentarfilms oder Videos und versuche, so viele Menschen wie möglich zu interviewen, um verschiedene Blickwinkel aufzuzeigen und unterschiedliche Inhalte anzubieten, die zum Verständnis des Themas meiner Produktion beitragen sollen. Doch das reicht nicht. Alles muss überprüft werden: nicht nur die Daten, sondern auch die Aussagen der Expertinnen und Experten sowie jene meiner Kontakte. Und dann gilt es natürlich auch, eine Auswahl zu treffen. Für jeden Dokumentarfilm führe ich eine Reihe von Interviews, von denen ich letztendlich nur jenen Bruchteil auswähle, den ich als am wichtigsten erachte. Allerdings ist es alles andere als einfach, die richtigen Personen zu finden, die einen Beitrag zur Vertiefung eines bestimmten Themas leisten oder einen Erfahrungsbericht liefern können».

Können Sie uns von Situationen erzählen, in denen es sich als schwierig erwiesen hat, Grundmaterial für wissenschaftliche Videos zu sammeln?

«Vor kurzem habe ich einen Dokumentarfilm gedreht, für den ich eine Organspendekoordinatorin für die Schweiz interviewte: Es war schwierig, einen Spender bzw. einen Angehörigen eines Spenders zu finden, die bereit waren, über die Entscheidung zu sprechen, ein Organ zu spenden. Ausserdem kann es eine Herausforderung sein, mit Fachleuten auf einem bestimmten Gebiet in Kontakt zu treten und mit Personen zu kommunizieren, die sich mit abstrakten Problemen befassen, wie z. B. Mathematikern. Das war der Fall beim Projekt „Math Geniuses“, das von der Internationalen Mathematischen Union (IMU) in Auftrag gegeben und in Zusammenarbeit mit der Simons Foundation und der California Story Company – der Filmgesellschaft des preisgekrönten amerikanischen Regisseurs John Hubbell – realisiert wurde. Nachdem ich gebeten wurde, eine Reihe von Porträts der Preisträger der Ausgabe 2022 des Internationalen Mathematikerkongresses zu erstellen, verbrachte ich einen Teil des Projekts damit, nach Ansätzen zu suchen, um die aussergewöhnliche Intelligenz dieser Menschen verständlich zu machen».

Viel Neugier, Recherche, Überprüfung und Liebe zum Detail: Was möchten Sie dem Publikum am Ende mit auf den Weg geben?

«Videos, Spielfilme und Filme ermöglichen es wie kein anderes Medium, Emotionen und Erfahrungen einzufangen und zu vermitteln. Darüber hinaus bieten wissenschaftliche Dokumentarfilme theoretisch die Möglichkeit, von einem einzelnen Individuum oder dem erzählten Ereignis auf die Allgemeinheit zu schliessen und so eine gesellschaftliche Wirkung zu erzielen. Dies war der Fall bei dem Projekt Radical Landscapes, das die Entwicklung der avantgardistischen italienischen Architektur der Siebziger Jahre dokumentiert und das Augenmerk auf die (oft problematische) Beziehung zwischen Umwelt und Technologie lenkt».

Nun aber von den Siebziger Jahren zurück in die heutige digitale Welt. Internet und soziale Medien: eine Chance oder vor allem eine Herausforderung für diejenigen, die wissenschaftliche Dokumentarfilme und Videos produzieren?

«Die digitale Kommunikation stellt heute ein zentrales und unabdingbares Element einer Kommunikationsstrategie dar, die darauf abzielt, ein möglichst breites Publikum zu erreichen. Gleichzeitig ist das Internet bekanntlich durch Schnelligkeit und Kürze gekennzeichnet: Auf Instagram und in anderen sozialen Medien wimmelt es von Inhalten, die vom Nutzer eine sehr begrenzte Aufmerksamkeit erfordern, was zu Lasten der Tiefe und manchmal auch der Richtigkeit der Informationen geht. Wir gewöhnen uns immer mehr an „Informationshappen“. Dieser Aspekt stellt zweifellos eine Herausforderung für die Produzentinnen und Produzenten wissenschaftlicher Dokumentarfilme und Videos dar, die hingegen ein hohes Mass an Aufmerksamkeit erfordern, was in starkem Kontrast zur allgemeinen täglichen Informationsnutzung steht. Diese Tendenz stellt jedoch auch eine Gelegenheit dar, wo man in der Lage ist, kurze Videos und Spots für das Internet zu erstellen, die die Aufmerksamkeit des Betrachters fesseln, Emotionen wecken und gleichzeitig zur Vertiefung der behandelten Themen anregen».

Es geht also darum, nicht nur die Neugier des Nutzers dieser Inhalte zu fördern, sondern ihn auch gleichzeitig dazu zu veranlassen, als Reaktion auf das Gesehene zu „handeln“?

«Das ist richtig. Diese bewusste und kritische Handlungsfähigkeit wird im Englischen mit dem Begriff agency bezeichnet. Einer der ersten Momente, in denen der Drang zum Handeln (agency) deutlich zu spüren war und ich den Wunsch hegte, diesen Drang durch meine Arbeit zu fördern, war der Women’s March 2016 in den Vereinigten Staaten unter Präsident Obama. Unter den Demonstrierenden war auch ein achtjähriges Mädchen, Mari Copeny, die in den Medien als „Little Miss Flint“ bekannt wurde. Sie hatte beschlossen, an der Demonstration teilzunehmen, um gegen etwas zu protestieren, was man als echte Gesundheitskrise in ihrem Land bezeichnen kann: die Verschmutzung des Flusses Flint in Michigan, die so gravierend war, dass das Wasser weder zum Trinken noch zum Waschen geeignet war. In Erinnerung an die Entschlossenheit und das Umweltbewusstsein von Little Miss Flint versuche ich im Rahmen meiner in Zusammenarbeit mit jungen Menschen – insbesondere mit Studierenden – durchgeführten Projekte, ihre Neugier zu wecken und sie dazu anzuregen, Themen zu hinterfragen und zu vertiefen, die gesammelten Informationen zu überprüfen sowie zeit- und situationsgerecht zu kommunizieren, um Debatten anzustossen oder zumindest Interesse bei den Gesprächspartnern hervorzurufen. Konkret zeigten sich die Früchte dieser Bemühungen auf dem Global Science Film Festival».

Und nun zum Global Science Film Festival. Ist es zu früh, um eine Bilanz zu ziehen, insbesondere, was die Studentinnen und Studenten betrifft?

«Man kann mit Sicherheit sagen, dass sich die Studierenden wichtig und vor allem als „Agenten“ gefühlt haben, deren Aufgabe es war, Podiumsdiskussionen zu organisieren, mit den Gästen in Kontakt zu treten, Fragen an die Experten und Regisseure vorzubereiten, Nachfassaktionen durchzuführen und Pressemitteilungen zu verfassen, um die Veranstaltung mit einem Publikum zu teilen, das über die Welt der Wissenschaft hinausgehtund die breite Öffentlichkeit einbezieht oder interessiert. Die Studentinnen und Studenten hatten die Möglichkeit, mit der lokalen Gemeinschaft (der Stadt Lugano) sowie mit den Regisseuren, Wissenschaftlern und Forschern in Verbindung zu treten, die in den gezeigten Filmen über globale Probleme und Herausforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit berichteten».