Coronavirus

Eine «App» zur Messung der Belastung junger Menschen durch die Coronapandemie

Donnerstag, 2. April 2020 ca. 4 Minuten lesen In lingua italiana

Start frei für eine Studie des Instituts für medizinische Kommunikation der USI. Die Teilnehmer sind junge Leute im Alter zwischen 15 und 35 Jahren, die wegen des Lockdowns zuhause sind und täglich über das Smartphone Bericht erstatten können
von Elisa Buson

«Klar können wir einen Videoanruf machen! Heute Abend um sieben? Nein, da habe ich Online-Yoga auf Instagram. Um 18 gibt es den Flashmob auf dem Balkon, es wird „O sole mio“ gesungen. Vormittags habe ich Online-Workout auf Facebook. Mittags ein weiterer Flashmob, auch auf dem Balkon, es wird „Musica e il resto scompare“ gesungen ... Nicht vergessen! Am Nachmittag Fedez-Chiara Ferragni live, das darf ich auf keinen Fall verpassen! Die nächsten Tage: Alles drunter und drüber!» So sieht das Leben der jungen Leute zur Zeit des Coronavirus aus, das in der Video-Parodie «Agenda da quarantena» des Schauspielers Paolo Camilli so trefflich gezeichnet wurde. Ein Tag gleicht dem anderen, eingeschlossen in die eigenen vier Wände, verzweifelt auf der Suche nach einer täglichen Routine in der Krise mithilfe der neuen Technologien. Manche nutzen Skype für einen Aperitif auf Abstand mit den Freunden, andere laden sich eine Meditations-App gegen den Stress herunter, wieder andere versuchen mit Tutorials auf YouTube fit zu bleiben. Die Pandemie krempelt ihre Leben um, aber auf welche Weise? Und mit welchen Auswirkungen auf die Psyche?

Diese Fragen versucht eine Studie des Instituts für medizinische Kommunikation der Università della Svizzera italiana (USI) zu beantworten, zur Teilnahme wurden alle jungen Leute im Alter zwischen 15 und 35 Jahren in Italien und in der italienischen Schweiz aufgerufen. Die von den Forscherinnen Anne-Linda Camerini und Laura Marciano durchgeführte Studie mit dem Titel «#iorestoacasa ai tempi del coronavirus» (dt. #ichbleibezuhause zu Zeiten des Coronavirus) dient der Quantifizierung der Auswirkung der Coronakrise auf die psychisch-physische Gesundheit und die Gewohnheiten der jungen Leute.

Um mitzumachen, genügt es, die Gratis-App «Ethica» auf das eigene Smartphone herunterzuladen, die zu Forschungszwecken von Ethica Data, einer Zweigstelle der Universität Saskatchewan in Kanada, bereitgestellt wird. «Die App wurde 2009 anlässlich einer anderen Pandemie entwickelt, der des Virus A-H1N1, um die Verbreitung der Ansteckung in Kanada zu tracken», erzählt Anne-Linda Camerini, die ebenfalls Dozentin für medizinische Kommunikation an der USI ist. «Die App war so erfolgreich, dass sie dann in ein wahrhaftiges Forschungs-Tool im Rahmen der Sozialwissenschaften und des öffentlichen Gesundheitswesens umgewandelt wurde, beispielsweise um den Zustand chronisch Kranker, das Risiko der Depression und die Exposition akustischer Verschmutzung zu überwachen.» Dasselbe Institut für medizinische Kommunikation der USI hat Ethica im Jahre 2018 und 2019 verwendet, um die Smartphone-Nutzung der Jugendlichen mithilfe einer Finanzierung des Schweizerischen Nationalfonds zu untersuchen.

Schau in die Galerie Schau in die Galerie Die Umfrage #iorestoacasa Schau in die Galerie (5 foto)

Mit dem Ausbruch der Coronakrise haben Anne-Linda Camerini und Laura Marciano sofort verstanden, dass ihre Erforschung der jungen Leute und der Technologien eine Wende nehmen konnte. «Wir meinten, dass die App ein guter Weg sein könnte, um die jungen, zuhause isolierten Leute zu erreichen und zu sehen, was sie in diesem so kritischen Moment denken», erklärt Camerini. So begann die Rekrutierungskampagne, mit der die jungen Leute bis zum 10. April über die sozialen Netzwerke und den Newsletter der Universität aufgerufen werden. «Wer an der Studie teilnehmen möchte, kann ganz einfach die App Ethica auf sein Android oder iOS Gerät herunterladen: Nach der Eingabe des Alters erhält er ein Dokument für die informierte Einwilligung, in dem erläutert wird, dass die Daten vollkommen anonym im Einklang mit dem Datenschutz und ausschliesslich zu Forschungszwecken verarbeitet werden», versichert die Expertin. Nachdem man die Einwilligung erteilt und ein kurzes allgemeines Formular (beispielsweise mit Angaben, ob man männlich oder weiblich ist, studiert oder arbeitet, allein wohnt oder nicht) ausgefüllt wurde, beginnt die eigentliche Studie. «Einen Monat lang unterbreitet die App dem Nutzer jeden Abend einen kurzen Fragebogen, den man in nur einer Minute beantworten kann», betont Camerini. «Mit wenigen und einfachen Fragen versuchen wir, zu erfahren, was der junge Mensch tagsüber gemacht hat, wie seine Stimmung ist, was er gut und schlecht am Zuhausebleiben findet und wie er die Gesundheitsgefahr in Zusammenhang mit dem Coronavirus wahrnimmt.»

Bereits rund fünfzig Freiwillige haben sich zur Teilnahme an der Initiative entschlossen, um ihren Beitrag zur Forschung zu leisten, und vielleicht auch wegen des Anreizes einer kleinen Prämie für die drei aktivsten Teilnehmer: Jeweils ein Amazon Gutschein in Höhe von 50 Euro. «Ziel ist es, wenigstens rund Hundert Teilnehmer zu bekommen, welche die Umfrage den ganzen Monat lang kontinuierlich beantworten: So erhalten wir statistisch aussagekräftige Daten», erklärt die Forscherin. Um den jungen Leuten zu helfen, ihre isolationsbedingten Schwierigkeiten zu bewältigen, müssen wir ihre Erwartungen und Bedürfnisse kennen. Gleichzeitig müssen wir auf die Prävention abzielende Kommunikationsstrategien erarbeiten, die auch nach der Coronakrise hilfreich sind.

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