WISSENSCHAFT UND VERBREITUNG

Die Ansteckung durch Viren, aber auch durch Worte und Ideen, Protagonist im Castelgrande

Sonntag, 3. April 2022 ca. 5 Minuten lesen In lingua italiana

Start frei für eine innovative Ausstellung, organisiert vom Institut für Biomedizinische Forschung und dem Ideatorio der USI. Medizinische, aber auch ethische Themen in einer jugendgerechten Sprache. «Wissenschaftler müssen verstärkt den Dialog suchen»
von Paolo Rossi Castelli

Was ist die Ansteckung? Es ist die durch Viren und Bakterien, aber auch die durch Ideen, Worte, Begegnungen. «Menschen haben das Bedürfnis, sich anzustecken - sagte Giovanni Pellegri, Leiter des Ideatorio USI - am 8. April bei der Präsentation einer in vieler Hinsicht interessanten und innovaten Ausstellung über die “Vielen Gesichter der Ansteckung” (so nennt sich die Ausstellung). Die vom Istitut für Biomedizinische Forschung (IRB) stark herbeigesehnte und eben mithilfe des Ideatorio organisierte Ausstellung findet (bis zum 6. November) im Arsenalsaal des Castel Grande in Bellinzona statt.

«Die Ansteckung - erklärt eine Broschüre, die jedem Besucher beim Betreten des Saals ausgehändigt wird - manifestiert sich immer in zweifacher Form: Überflüssig und notwendig, gefährlich und rettend, destruktiv und konstruktiv. Wir möchten, dass uns der andere mit Umarmungen und Blicken ansteckt, haben jedoch Angst vor der anderen Ansteckung, der durch Viren. Beide sind unsichtbar, beide stecken uns an». Pellegri fügt hinzu: «Die Ausstellung behandelt genau dieses Paradox: Während der Pandemie wurden wir aufgefordert, Kontakte zu vermeiden, gleichzeitig verspürten wir jedoch das starke psychologische und physiologische Bedürfnis, zusammen zu sein, in Kontakt...».

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Diese Themen finden sich von Anfang an in der Ausstellung wieder, gleich zu Beginn des Besuchs, beim Betreten eines dunklen Raums mit einer sehr theatralischen Atmosphäre und einem Dutzend vertikaler Bildschirme, auf denen Personen erscheinen, die über die Ansteckungsgefahr von Viren und anderen Mikroorganismen sprechen (dies ist andererseits auch der Untertitel der Ausstellung: „Eine potentiell virale Ausstellung“...). Sie sprechen, indem sie das Problem aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln angehen: So „verteidigt“ beispielsweise eine Käserin die Bakterien, die den grundlegenden Rohstoff bei der Herstellung ihres Käses darstellen. Und eine Lehrerin drückt ihre Schwierigkeiten aus, Wissen ohne die (emotionale) Ansteckung im Klassenzimmer zu vermitteln. Natürlich will niemand die Gefahr des Coronavirus SARS-CoV-2 verteidigen oder unterschätzen, das für Covid-19 verantwortlich ist, das weltweit Millionen von Todesfällen verursacht hat. Es gibt dennoch viele biologische und ethische, soziologische Anstösse, über die uns der Gedanke der Ansteckung (aus dem Lateinischen contagium, abgeleitet von contingere - „berühren, in Kontakt sein“) zum Nachdenken anregt. Die Besucher werden dazu aufgefordert, sich einzubringen, indem sie gelbe Zettel mit ihren Überlegungen (zum Beispiel zu den schwierigsten Verzichten während der Pandemie) hinterlassen oder den Forschern auf speziellen Wolken aus Papier Fragen stellen.

Wie gesagt hat das IRB die Idee einer Ausstellung über die vielen Gesichter der Ansteckung ins Leben gerufen: Es ist der Beginn eines neuen Kurses, können wir sagen, der das Institut dazu bringen wird, verstärkt den Dialog mit einem Publikum aus Nichtfachleuten zu suchen. In der Tat sind auch vier „Aperitifs“ zu wissenschaftlichen Themen geplant, und 20 Wochen lang erzählen die IRB-Doktoranden am Samstagvormittag den Besuchern der Ausstellung, „Fragmente“ der Wissenschaft. «Es ist sehr wichtig, die Türen des Instituts für Biomedizinische Forschung buchstäblich zu öffnen - erklärt Santiago González, Leiter des Labors Infection and Immunity am IRB und wissenschaftlicher Leiter der Ausstellung. - Am 14. Mai haben wir einen „Tag der offenen Tür“ im Institut, und werden auf jeden Fall eine Reihe neuer Initiativen aktivieren, damit unsere Wissenschaft und unsere Forschungen auch Nicht-Experten des Fachgebiets erklärt, erzählt und „übersetzt“ werden. Manchmal (das muss man zugeben) ist es schwierig, bestimmte wissenschaftliche Themen zu vereinfachen, ohne sie zu banalisieren. Aber wir können und müssen Erfolg haben».

Beim Schlendern durch die zahlreichen interessanten Objekte der Ausstellung, die sich speziell an Schulen richtet, findet man interessante, aber auch erschütternde Nachrichten. In einer Reihe von grossen bunten Schubladen, die zu diesem Anlass geöffnet werden können, erscheint zum Beispiel der Text eines Dekrets aus dem Jahr 1834, das die Impfung gegen Pocken im Tessin obligatorisch machte. «In den letzten zwei Jahren der Covid-Pandemie hat die mögliche Impfpflicht in vielen Ländern zahlreiche Kontroversen ausgelöst - erinnert Alessio Lavio, Koordinator des Projekts im Namen des Ideatorio. - Vor zwei Jahrhunderten jedoch hatte niemand mit der Wimper gezuckt».
Ähnliches geschah bei der Impfung gegen Poliomyelitis, die schreckliche Krankheit, die bei einer grossen Anzahl von Kindern Muskelschwäche und Lähmungen verursachte. Ein italienisches Plakat aus dem Jahr 1959, das in der Ausstellung ausgestellt ist, berichtet von der Impfpflicht, auch in diesem Fall, für Schüler, die sich zur Schule anmelden mussten, als der Sabin-Impfstoff, der die Krankheit sehr wirksam eindämmte, endlich verfügbar war. «Die Zeiten ändern sich - so Lavio. - Dank Impfstoffen, die schreckliche Krankheiten wie Polio ausgerottet haben (und somit auch die Bilder von Menschen, die von solch ernsthaften Situationen betroffen sind, „aus dem Blickfeld entfernt haben“), können wir uns Zweifel an Impfstoffen leisten...».
Im Arsenalsaal gibt es auch Plakate und andere Spuren von Impfgegnern von heute. «Es sind Denkanstösse - erklären die Organisatoren der Ausstellung. - Wir hielten es für richtig, sie auszustellen, wie im Übrigen alles andere, was sich um das komplexe, widersprüchliche und manchmal verschwommene Konzept der Ansteckung dreht».