kultur und gesundheit

Ein Kurs an der USI, eine neue Website und ein Forum über die «heilende Kraft» von Kunst, Musik und Literatur

Mittwoch, 6. Oktober 2021 ca. 7 Minuten lesen In lingua italiana

von Paolo Rossi Castelli

Kultur im weitesten Sinne (Kunst, Musik, Literatur, Kino, Theater usw.) kann sich sehr positiv auf unsere Gesundheit auswirken, und stellt somit in der Tat ein wirksames Mittel zur Behandlung bestimmter Krankheiten dar. Die Menschen besitzen seit jeher eine empirische Kenntnis des Zusammenhangs zwischen Kultur und Gesundheit und beschäftigten sich bereits in der Antike mit künstlerischen Aktivitäten: Sie bemalten beispielsweise Höhlenwände, bauten Flöten und andere Musikinstrumente, schufen Mythen und erfanden Geschichten, und gestalteten so ihr Leben mit zahlreichen Tätigkeiten dieser Art. Doch erst in den letzten Jahren konnten die konkreten, messbaren Auswirkungen kultureller Aktivitäten auf unser Gehirn und unseren Körper dank einer wachsenden Zahl von Studien wissenschaftlich belegt werden. Es handelt sich um einen neuen Forschungszweig, der bereits interessante und zuweilen überraschende Ergebnisse liefert und zu Veränderungen im Therapiemanagement sowie in der Leitung von Pflegeeinrichtungen, wie z. B. Krankenhäusern, führen wird.

Lugano hat dank einer Reihe von Initiativen, die für das Projekt «Cultura e Salute» (dt. «Kultur und Gesundheit») vorgesehen sind, gute Chancen, in diesem Bereich ein Bezugspunkt für die Schweiz zu werden. Dieses Projekt wurde letztes Jahr genau an der Schwelle der Pandemie vom Kulturamt der Stadt Lugano und der IBSA-Stiftung für wissenschaftliche Forschung präsentiert. Es wurde nun wieder aufgenommen und überarbeitet, und sieht folgende drei Bereiche vor:
* einen sehr innovativen Universitätskurs, der sich an Studierende der Fakultät für Biomedizinische Wissenschaften der Università della Svizzera Italiana (USI) richtet, aber auch interessierten Bürgern offensteht;
* eine viersprachige Website (https://culturaesalute.ch/), die eine immer umfangreichere Dokumentation wissenschaftlicher Studien über den Zusammenhang zwischen kulturellen Aktivitäten und Wohlbefinden enthalten wird;
* und schliesslich ein Forum mit renommierten Fachärzten, das am 26. und 27. November in Lugano stattfinden soll und den Titel «Allianz für eine nachhaltige Zukunft» trägt.

Das Projekt wurde, wie gesagt, von der Stadt Lugano und der IBSA-Stiftung initiiert. In den letzten Monaten beteiligten sich jedoch, was den Universitätskurs betrifft, auch die USI und, im Hinblick auf die vom jungen Grafiker Leonardo Angelucci gestaltete Website, die Fachhochschule Südschweiz (Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana, SUPSI), insbesondere das Departement für Umwelt, Bau und Design. Alle Initiativen werden auch von UBS Switzerland AG und Farma Industria Ticino unterstützt.

«Dieses Projekt ist für uns von strategischer Bedeutung», erklärte Roberto Badaracco, Vizepräsident von Lugano und Vorsteher des Departements für Kultur, Sport und Veranstaltungen, am 5. Oktober im Rahmen der Pressekonferenz in der Villa Ciani. «Mittlerweile ist bekannt und wissenschaftlich belegt, dass es neben dem „traditionellen“ Kulturgenuss (z. B. einem Kinobesuch oder Musikhören nach der Arbeit) noch viel mehr gibt. Kunst und Kultur dienen nicht nur der Unterhaltung, sondern können auch eine positive Wirkung auf kranke Menschen und ihre Krankheit haben. Dieses neue Bewusstsein verleiht sowohl kulturellen Aktivitäten als auch den für diesen Bereich ausgegebenen öffentlichen Mitteln einen noch höheren Stellenwert. Wir als Stadt wollen im Rahmen dieser Szenarien an vorderster Front stehen.»

DIE WEBSITE – Wir sprachen vorhin über das Internetportal culturaesalute.ch. «Es enthält bereits die Dokumentation von rund hundert internationalen Projekten zur Förderung des menschlichen und gemeinschaftlichen Wohlbefindens – so Luigi Di Corato, Leiter des Kulturamts der Stadt Lugano – und wird laufend aktualisiert, um eine immer umfassendere Referenzdatenbank zur Verfügung zu stellen. Die gesamte Website ist in italienischer, französischer, deutscher und englischer Sprache verfügbar und zeichnet sich durch ein einzigartiges System für digitale Barrierefreiheit aus, wodurch sie auch für Menschen mit visuellen oder kognitiven Einschränkungen zugänglich ist.»

DER UNIVERSITÄTSKURS – Der Kurs «Kultur und Gesundheit» an der USI hingegen beginnt am 18. Oktober und sieht bis zum 6. Dezember sechs weitere Vorlesungen vor, die montags im Mehrzwecksaal des Campus Est in Viganello abgehalten werden. Studierende des Master-Studiengangs in Medizin, die an diesen Vorlesungen teilnehmen werden, erhalten dafür eine bestimmte Anzahl von Leistungspunkten. Wie bereits erwähnt, kann auch die Öffentlichkeit kostenlos an den Vorlesungen teilnehmen (ein solches Organisationskonzept findet man in der akademischen Welt nur selten). Jede der sieben Lehrveranstaltungen trägt einen eigenen Titel (Kunst, Kultur, Gesundheit und Wohlbefinden; Lebensräume; Ein Blick in die Landschaft; Die Suche nach dem Glück; Spieglein, Spieglein an der Wand; Neuronen und Empathie; Das Lob der Schönheit; Musik, Seele und Körper). Für die Einleitung und Leitung der Vorlesungen ist Professor Enzo Grossi, der sich seit Jahren mit der Verbindung zwischen Kultur und Gesundheit befasst, verantwortlich. Danach wird ein externer Redner zugeschaltet, der das jeweilige Thema des Abends auf der Grundlage seiner Kompetenzen behandelt. Anschliessend diskutieren zwei im Hörsaal anwesende Experten, die nicht unbedingt Wissenschaftler sein müssen, das Thema. Zu den Referenten zählen unter anderem der Architekt Mario Botta, der Regisseur Daniele Finzi Pasca, der Dichter Fabio Pusterla, der Künstler Michelangelo Pistoletto, der Bergsteiger Romolo Nottaris, der Psychiater Graziano Martignoni und der Dirigent Markus Poschner.
«Der Zusammenhang zwischen Kultur und Gesundheit ist ein äusserst interessantes und innovatives Thema – so Giovanni Pedrazzini, Dekan der Fakultät für Biomedizinische Wissenschaften der USI –, zu dem sogar die Weltgesundheitsorganisation ein Referenzdokument veröffentlichte. Kultur hilft nicht nur, gesund zu bleiben, sondern auch zu heilen. Aus diesem Grund sagten wir, ohne zu zögern, zu, als man unserer Fakultät vorschlug, sich an dem Projekt „Cultura e Salute“ zu beteiligen. Die Auswirkungen der Auseinandersetzung mit Musik, Literatur und Ästhetik im weitesten Sinne (z. B. mit einer schönen Landschaft) sind in bestimmten Körpersystemen ausgeprägter: Ich denke dabei an die Bereiche Neurologie, Kardiologie und Immunologie. Nicht umsonst steht in der Eingangshalle der Mayo Clinic in Rochester, einer der modernsten Behandlungszentren der Welt, ein Flügel, der oft für Konzerte, die den Patienten gewidmet sind, eingesetzt wird. Zudem werden in zahlreichen Abteilungen für Pädiatrische Onkologie künstlerische Aktivitäten eingeführt, die den jungen Patienten sehr helfen.»

DAS FORUM – Und damit kommen wir zu dem Forum, das für den 26. und 27. November geplant ist. Es werden international anerkannte Experten teilnehmen, die wissenschaftliche Erkenntnisse sowie die besten bewährten Praktiken zur «Verflechtung» von Kultur und Gesundheit präsentieren werden. «Seit Bestehen der IBSA-Stiftung – so die Leiterin Silvia Misiti – organisieren wir jährlich zwei wissenschaftliche Foren. In Zukunft wird eines davon dem Thema Kultur und Gesundheit gewidmet sein. Am 26. November werden wir ausserdem die Gewinner einer kürzlich gestarteten Ausschreibung bekanntgeben, die den interessantesten Kooperationen zwischen der medizinisch-wissenschaftlichen und der künstlerisch-kulturellen Welt in der Schweiz eine Bühne geben soll. Es dürfen Projekte eingereicht werden, die entweder bereits angelaufen oder seit maximal fünf Jahren abgeschlossen sind, sofern ihnen eine formelle Partnerschaft zwischen den beteiligten Akteuren zugrunde liegt.» Die Ausschreibung kann unter folgendem Link heruntergeladen werden: https://culturaesalute.ch/wp/wp-content/uploads/2021/10/Call-for-Case-Studies-IT-finale.pdf
Die Teilnahme ist kostenlos. Die Bewerbungen sind bis zum 10. November unter Angabe folgenden Betreffs unter der E-Mail-Adresse info@culturaesalute.ch einzureichen: Cultura e Salute – call for Case Studies.

(Auf dem Foto oben: Roberto Badaracco und Giovanni Pedrazzini am Ende der Pressekonferenz)