Die Meinung

So wurde Bellinzona Protagonist der Spitzenforschung

Giorgio Noseda
Montag, 28. Juni 2021 ca. 4 Minuten lesen In lingua italiana

von Giorgio Noseda
Ehrenpräsident des IRB und Vizepräsident des IOR

Zwei hochkarätige Forschungsinstitute (das IRB, Istituto di Ricerca in Biomedicina, dt. Forschungsinstitut für Biomedizin, und das IOR, Istituto Oncologico di Ricerca, dt. Onkologisches Forschungsinstitut), Zweigstellen der Università della Svizzera italiana; das Istituto Cantonale di Microbiologia (dt. Kantonales Institut für Mikrobiologie) und das Laboratorio Cantonale (dt. Kantonales Labor); die Humabs BioMed, die als Zweigstelle des IRB gegründet und nun von der US-amerikanischen Vir Biotechnology übernommen wurde; das IOSI (Istituto oncologico della Svizzera italiana, dt. Onkologisches Institut der Italienischen Schweiz); ein neues Gebäude auf dem ehemaligen Militärgelände zur Unterbringung des IRB und IOR an einem Standort, aber auch die Labore für Grundlagenforschung des Neurocentro della Svizzera Italiana und des Cardiocentro (beide des EOC), die sich derzeit in Taverne befinden; der Innovationspark auf einem Gelände, das von den Schweizer Bundeswerkstätten zur Verfügung gestellt wird; die Ankunft der Stiftung AGIRE und vielleicht des Instituts für Life Sciences der USI am «alten» Sitz des IRB in Via Vela. All das geschieht in Bellinzona, wo sich die biomedizinische Forschung des Kantons konzentriert und das immer mehr zu einem wichtigen Bezugspunkt für die Schweiz und ganz Europa wird. 

Nachdem die Idee der Gründung eines weiteren Forschungszentrums auch in Lugano (im ehemaligen Palazzo Mizar) verworfen wurde, wurden in Bellinzona alle Labore untergebracht, während sich in Lugano mit der Fakultät für biomedizinische Wissenschaften am neuen Campus est USI-SUPSI die Didaktik befindet und dort auch bedeutende Bereiche der hochspezialisierten klinischen Aktivität verwaltet werden. So entwickeln wir auf kontinuierliche und «kräftige» Weise alle Aktivitäten rund um die Biomedizin im Tessin: Ein aus sozialer, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Sicht strategischer Sektor, wenn man sich die enormen Summen vor Augen hält, die man benötigt.

Gewiss, was für ein Unterschied im Vergleich zu vor zwanzig Jahren und wie viel hat sich in jüngster Zeit getan. Der Master in Humanmedizin der USI startete im vergangenen Herbst, die Fakultät wurde 2014 geschaffen. Das IRB hingegen wurde im September 2000 mit einem Budget von 4 Millionen Franken eröffnet. Jetzt beträgt es 20 Millionen. Zu Beginn arbeiteten dort 4 Forschungsteams mit 35 Mitarbeitern. Heute, 2021, gibt es 13 Forschungsteams mit 130 Mitarbeitern (85 kommen aus verschiedenen Teilen der Welt). Das 2003 gegründete IOR hat ein vergleichbar starkes Wachstum zu verzeichnen. Derzeit arbeiten am IOR über 80 Forscher, aufgeteilt in 7 Teams, aber es besteht die Absicht, im Laufe der nächsten zwei oder drei Jahre bis zwei neue Teamleiter einzustellen, sodass die Gesamtzahl der Forscher bei rund 100 liegt. 

Hochkarätiges wissenschaftliches Level und zahlreiche renommierte Auszeichnungen für IRB und IOR gleichermassen. Und genau in diesen Tagen haben die beiden Institute beschlossen, den Verein BIOS + (Bellinzona Institutes of Sciences/Biomedizinisches Forschungszentrum der Italienischen Schweiz) zu gründen, um ihre wissenschaftliche und administrative Tätigkeit sowie deren Abläufe besser zu koordinieren.

Wenn das IRB und das IOR an den neuen Standort am ehemaligen Militärgelände umziehen (wahrscheinlich gegen Ende November), dann lassen sich viele Synergien entwickeln: Die Begegnung unter den Mitarbeitern wird leichter und die verschiedenen Ausrüstungen können gemeinsam genutzt werden. Das neue Zentrum wird der Arbeitsplatz von 250-300 Forschern sein und es ist meine Vision, dass es in Zukunft zu einem einzigen Forschungsinstitut für Biomedizin mit verschiedenen Departements werden kann: Immunologie, Onkologie, Neurowissenschaften, Kardiologie und möglicherweise noch mehr. Das neue Gebäude nach Plänen des bekannten Architekten Aurelio Galfetti wird rund 60 Millionen Franken kosten. Es wird mit fortschrittlicher Ausrüstung ausgestattet sein und, wie bereits gesagt, auch die Labore der Grundlagenforschung in Neurowissenschaften, des Instituts für Molekular- und Zellkardiologie sowie weiterer Gruppen des EOC beherbergen und somit die für das kantonale Forschungszentrum zwingend erforderlichen Synergien fördern. Eine enorm wichtige Chance der Entwicklung, auch wenn die Lage zwischen den grossen Züricher Einzugsgebiet mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule im Norden und der Lombardei im Süden, vor allem Mailand und dem Forschungszentrum für Life Sciences Human Technopole, das auf dem ehemaligen Expo-Gelände geplant ist, nicht gerade einfach ist. Wenn es gelingt, die Zusammenarbeit mit diesen «hochmotivierten»Zentren zu festigen, dann kann dies für die Tessiner Wissenschaftsforschung und Wirtschaft einen enormen Sprung nach vorne bedeuten.