Die Meinung

Kompetenz, Leidenschaft und die Comics von Let’s Science für den wissenschaftlichen Unterricht

Nicolò Osterwalder
Freitag, 3. September 2021 ca. 5 Minuten lesen In lingua italiana

von Nicolò Osterwalder
Didaktischer Berater für Naturwissenschaften

Jungen und Mädchen in den Pflichtschulen heutzutage in wissenschaftlichen Fächern zu unterrichten ist eine Aufgabe, die nicht nur didaktische und fachliche Kompetenz erfordert, sondern auch Leidenschaft und Erfindungsgeist. Gemeinsam mit den Jugendlichen Wissenschaft zu betreiben, denn darum geht es schliesslich, ist ein aktiver Prozess, bei dem die Labortätigkeit und somit das Projekt, die Umsetzung und die Reflexion im Vordergrund stehen.
Was aber sind die kognitiven Dimensionen und die Themen, die man in einem wissenschaftlichen Kurs behandeln sollte, der selbstverständlich eine Einführung darstellt und für manche Schüler der letzte Kontakt mit der von der Schule vermittelten Wissenschaft sein wird? Diesbezüglich sollte man zwei Perspektiven berücksichtigen: zum einen geht es um die Methodik. In einem historischen Moment, in dem die wissenschaftliche Desinformation medial häufig wirkungsvoller präsentiert wird als die fundierte Wissenschaft, ist es wichtig, von Anfang an an einem methodischen Konzept zu arbeiten, das eine Vorstellung davon vermittelt, wie die Wissenschaft funktioniert, ohne zu banalisieren und ohne einfache Rezepte zu liefern. Zum anderen geht es um eine Perspektive, welche die systemische Dimension der Wissenschaft aufgreift, ein Gebilde aus Fachbereichen, die auf verschiedenen Ebenen miteinander interagieren und sich gemeinsam mit den grossen ethischen Fragen wie Nachhaltigkeit, Gesundheit und Wohlstand auseinandersetzen.

Das Unterrichten der wissenschaftlichen Fächer möchte also die wissenschaftliche Alphabetisierung der Schüler fördern und gleichzeitig aufzeigen, wie der kulturelle Beitrag der Wissenschaft und der Technologie heute mehr denn je in die Lebensweisen der Menschen mit einfliesst. Dabei beschränkt sich der Beitrag zur kulturellen Bildung der künftigen Bürger nicht allein auf die Vermittlung von reinem Wissen, sondern möchte darüber hinaus gehen und jene Bereiche ansprechen, die Edgar Morin als Bestandteile des Savoir-Vivre bezeichnet und die im Schüler eine gewisse Sensibilität entwickeln, welche die Grundlagen für künftigen Wohlstand schafft. Ein Konzept, das also im Vergleich zu einer klassischeren Einteilung in rein erklärendes oder methodisches Wissen viel breiter und ambitionierter angelegt ist.
Die Planung wissenschaftlicher Forschungssituationen, die reich und bereichernd sind, ist also ein wichtiger Schritt, um sich dieser Zielsetzung zumindest anzunähern. Mit einem Buch oder einem speziell zusammengestellten Geheft aus Texten allein wird man der Komplexität der Herausforderung kaum gerecht werden. Authentische, dem Territorium offenstehende Situationen, die erklärend, lehrreich sein und zum Nachdenken anregen können, ergeben sich häufig ausserhalb des Klassenzimmers. Sie sorgen dafür, dass der Schüler mit den Tatsachen des Lebens konfrontiert wird, wobei von Mal zu Mal die am besten geeignete fachliche Perspektive zum Einsatz kommt.
Die Vermittlungskompetenz des modernen Dozenten, also etwas, das weit über die reine Weitergabe von Wissen hinausgeht, wird hier definitiv valorisiert. Um einer derartigen Komplexität gerecht zu werden, braucht die Lehrkraft neben der Leidenschaft auch die Bereitschaft, sich einzubringen und immer weiter dazu zu lernen. Überlegen wir gemeinsam: Ist das nicht die Haltung, die einen wissenschaftlichen Forscher am besten beschreibt? Da drängt sich die Frage auf: Kann der Dozent eigentlich alles wissen und in allen Punkten kompetent sind? Die Antwort ist nein. Wie kann man also versuchen, dem Bedürfnis nach Modernität mit den Ressourcen wissenschaftlicher Kompetenz endlicher Natur gerecht zu werden? Glücklicherweise kommt der Schule das Territorium zu Hilfe, mit seinen natürlichen Ressourcen und seinem kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Gefüge. Eine positive Interaktion mit dem Territorium ermöglicht es den Jugendlichen, die Wissenschaft in Aktion zu erleben.

Diesbezüglich ist das Tessin ein Ort voller Stimuli, an dem inspirierte Fachleute tätig sind, die zur Zusammenarbeit mit der Schule bereit sind. Dementsprechend willkommen sind Partnerschaften und Initiativen zwischen schulischen Einrichtungen, Stiftungen sowie Aussenstellen des öffentlichen und privaten Rechts: durch das Teilen von Visionen und Zielsetzungen, ungeachtet der Interessen des Einzelnen, lässt sich Vieles bewirken. In diese Richtung geht auch die Woche Let’s Science, die ich an dieser Stelle gerne erwähne, da sie jährlich von der IBSA Foundation gemeinsam mit der Abteilung für Mittelschule des DECS (Departement Bildung, Kultur und Sport) organisiert wird. Bei der Ausgabe 2021 von Let’s Science, die vom 6. bis 10. September in der Villa Saroli in Lugano und im Ideatorio der USI in Cadro stattfinden wird, werden nicht nur weitere vier Bände der gleichnamigen Reihe vorgestellt, an der Wissenschaftler und Fachleute mitwirken, die an den Mittelschulen des Territoriums in der wissenschaftlichen Bildung tätig sind, sondern es gibt auch einen Comic-Wettbewerb zum Thema pandemische “Ansteckung”. Mit dieser Initiative erhalten unsere Jugendlichen die Möglichkeit, ihre Erlebnisse während der Pandemie durch Comics zum Ausdruck zu bringen. Diese Art und Weise, Wissenschaft zu betrieben, zielt darauf ab, gemeinsame Werte zu entwickeln, die über den einzelnen Fachbereich hinausgehen und eine Verbindung zwischen Klassenzimmer und Alltag schaffen. Wir hoffen, dass sich die künftigen Bürger durch derartige partnerschaftliche Initiativen für aktive Rollen in der Gesellschaft entscheiden, einen Beitrag zum kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Gefüge unseres Kantons leisten und schliesslich die Dimensionen rund um die Wissenschaften und die Technologie valorisieren, indem sie stets bewusst, informiert und verantwortlich handeln. Wissenschaft mit Jugendlichen zu betreiben bedeutet heutzutage auch und vor allem das.