kultur und gesundheit

So verändern sich Kunst und Kultur zu Zeiten des Coronavirus

Sonntag, 18. Oktober 2020 ca. 4 Minuten lesen In lingua italiana

von Paolo Rossi Castelli

Was lehrt uns die Coronakrise? Wie verändert sich insbesondere die künstlerische Produktion, aber auch die «Nutzung» der kulturellen Aktivitäten (Ausstellungen, Treffen, Konzerte) sowohl hinsichtlich der öffentlichen (abgesagte oder in digitale Formate umgewandelte Veranstaltungen) als auch hinsichtlich der privateren, intimeren Seite? Darüber haben, selbstverständlich online, drei hochrangige Experten des LAC in Lugano gesprochen, und zwar am 3. November 2020 im Rahmen der Swiss Digital Days und des Projekts Cultura e Salute (veranstaltet von der Divisione Cultura della Città di Lugano (Kulturamt der Stadt Lugano) und der Stiftung IBSA).

«Die digitalen Medien eröffnen neue Möglichkeiten, künstlerischen Veranstaltungen beizuwohnen für diejenigen, die sie normalerweise nicht nutzen – erläutert Anne Torreggiani, Chief Executive der The Audience Agency und Co-direktorin des The Centre for Cultural Value. – Man kann also behaupten, dass die digitalen Medien die Anzahl der Zuschauer steigern und somit die Kultur in vielerlei Hinsicht demokratischer machen». Ein Beispiel? Nach der Umfrage Audience Finder, die in Grossbritannien von rund 1.000 Kulturorganisationen (welche die Daten miteinander geteilt haben) durchgeführt wurde, verzeichnete das junge Publikum in den letzten, vom Lockdown geprägten Monaten einen Zuwachs um hundert Prozent. «Besonders beliebt sind – laut Anne Torreggiani – vor allem die „digital first“ Inhalte, die für die neuen digitalen Tools ad hoc geschaffen werden: Also nicht die einfache Übertragung ins Netz von Events, die ursprünglich für den klassischen Kontakt mit dem Publikum im Theater, Museum oder Konzertsaal gedacht waren. Die digitalen Events gefallen auch, weil sie eine absolute Freiheit der Teilnahme zu dem Zeitpunkt, den der Nutzer bevorzugt, ermöglichen. Es sind dauerhafte Veränderungen, die uns wahrscheinlich auch nach der Coronakrise erhalten bleiben. Kurz gesagt, die digitale Beteiligung bleibt, das klassisch-traditionelle Publikum wird wohl zurückgehen».

Wie gesagt, demokratischere und flexiblere Kultur, aber auch grosse Probleme für die Künstler und Fachleute, die in diesen Monaten drastische, gar dramatische Umsatzeinbussen hinnehmen mussten. «Die Kultur macht mit 8 Millionen Beschäftigten 4% des europäischen Bruttoinlandprodukts aus – so Philippe Kern, Gründer und Geschäftsführer von KEA European Affairs. – Also eine sehr wichtige Branche, die auch andere Sparten ankurbelt (Tourismus, Logistik, Ausrüstung), aber wegen meist fehlenden starken Kapitals finanziell auf einem sehr wackligen Gerüst steht. Derzeit sind die Einnahmen der Büchereien, Kinos und Live-Veranstaltungen in den vom Coronavirus besonders hart getroffenen Ländern im freien Fall, während hingegen der E-Commerce, Abos für Film-Streaming-Dienste und die digitale Unterhaltung generell stark zulegen». 

Netflix, um einen der Giganten zu nennen, hat den Umsatz im dritten Quartal 2020 um 1,2 Milliarden Dollar auf 6,44 Milliarden gesteigert. Im selben Zeitraum ist die Zahl der Abonnenten um 2 Millionen auf schwindelerregende 195 Millionen gestiegen. Amazon, ein weiterer Branchenriese, hat seinen Gewinn im dritten Quartal 2020 auf 6,3 Milliarden Dollar verdreifacht. «Um die von der Coronakrise besonders hart getroffenen traditionellen Kulturschaffenden wird die Möglichkeit des Zugriffs auf die 750 Milliarden Euro des Recovery Fund, den die Europäische Union beschlossen hat, überlebensnotwendig sein – so Kern weiter. – Vergessen wir nicht, dass die Kultur über die rein wirtschaftlichen Aspekte hinaus auch deshalb so wichtig ist, weil sie sich auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Erholung auswirkt, indem sie den Leuten hilft, zu reagieren. Und damit nicht genug: Die Kultur generiert Innovation. Auch deshalb muss sie in jeder Hinsicht unterstützt werden».

Was kann man konkret tun? «Zahlreiche Initiativen wurden ins Leben gerufen, um neue Sprachen zu schaffen und finanzielle Unterstützung zu erhalten – so Philippe Bischof, Leiter der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia. – In den vergangenen Monaten haben wir beispielsweise das Projekt «Close Distance» mit dem Ziel der Gestaltung innovativer kultureller Formate ins Leben gerufen, das in dieser Zeit der wegen des Virus und der eingeschränkten Mobilität „verbannten“ öffentlichen Veranstaltungen startet. Von den 591 eingereichten Finanzierungsanträgen haben wir 59 bewilligt. Der finanzielle Aufwand für uns beläuft sich auf insgesamt 1.181.000 Franken. Auch die Unesco hat unsere Initiative lanciert». Welche weiteren Projekte werden in Zukunft unterstützt? Bischof antwortet: «Podcast-Module, digitale Plattformen, internationale Kooperationen». So geht es der Kultur zu Coronazeiten...

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